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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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propagierte Weltflucht, die gediegene Atmosphäre der geöffneten Klosterbibliothek und die strikten Öffnungszeiten, die eine angemessene Mittagsruhe erlauben, gegen Armut und Luxusverbot.
    Wie dem auch sei, das Tal allein lohnte bereits den Umweg, und so machen wir uns ohne Murren wieder auf den Asphalt Richtung Montbard, einem Städtchen am Fuße eines beachtlichen Burgberges mit Resten einer ehemaligen Festungsanlage, wovon ein imposanter Wachturm aus dem 13. Jahrhundert unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Graf Buffon, ein Naturwissenschaftler ersten Ranges, - er kam in Montbard zur Welt - lief hier wohl ebenso seine Spazierrunden wie wir jetzt und brütete dabei über seinen Erfindungen. Erfindungen von revolutionären Ausmaßen. Nicht umsonst sehen wir mit einer gehörigen Portion Vorfreude unserem Besuch der Grande Forge de Buffon entgegen.
    Dazu verlassen wir die Stadt in westlicher Richtung und folgen dem Canal de Bourgogne bis zur Ortschaft Buffon, wo außerhalb davon eine Brücke über den Kanal zu einem alten Hüttenwerk führt. Heute ein vielbesuchtes Industriedenkmal, arbeitete hier im 18. Jahrhundert Graf Buffon an seinen Ideen einer neuen Verhüttungstechnik. Die »Grande Forge« (Große Schmiede) ähnelt einem großen Musterhof zu Buffons Lebzeiten und verspricht, von außen gesehen, sehr interessant zu werden. Doch diesmal haben wir die Rechnung ohne den Kalender gemacht - kamen wir in Fontenay zu spät, so sind wir hier zu früh und zwar um einen ganzen Tag. Die Grande Forge eröffnet ihre Saison erst am 1. Juni. Na dann »Au revoir!« Mit unseren Besichtigungen scheinen wir ja nicht unbedingt das große Los gezogen zu haben. Trotzdem geben wir uns in diesem Punkt optimistisch, daß sich bis Portugal schon noch etliches für uns auftun wird.
    Wir kehren um. Kurz vor Saint Rémy lassen wir, am sonnigen Ufer des Kanals liegend, unseren leichten Ärger verrauchen und vertilgen einen Teil der Lebensmitteleinkäufe aus Montbard. Gegenüber von uns versuchen einige Angler sitzend oder stehend ihr Petri-Glück. Der Wind gebärdet sich immer ungestümer, und bald verbringen wir mehr Zeit, verblasene Jausensäckchen, Kaffeebecher und Straßenkarten einzufangen als gemütlich vorm Jockl im Gras zu dösen. Nicht lange und wir packen wieder zusammen und rauschen ab. Es folgt eine einstündige Jockl- Höchstgeschwindigkeits-Rallye nach Venarey-les-Laumes, einer Ansiedlung ohne Anfang, ohne Ende und ohne Zentrum, aber mit einem Campingplatz - einem sehr gepflegten noch dazu. Die unscheinbarsten und abgelegensten Orte verfügen oft über die besten Plätze. Nicht selten renommiert ein so genannter Vier-Sterne-Campingplatz mit dem Angebot von Gourmet-Restaurant, Bibliothek, Spielhalle, Schwimmbad, Sauna u. a., während nebenbei die verstopften Toiletten nach Entleerung rülpsen, man unter den versprochenen »hot showers« einen Kälteschock erleidet oder einen Zeltplatz zugewiesen bekommt, an dessen Waschbetonkonsistenz eine ganze Armada strammer Heringe zerschellt. Wie so oft, zahlt man die bild- und wortreichen Versprechungen eines Werbeprospektes und nicht das tatsächlich Gebotene. Auf jeden Fall fühlen wir uns heute gut aufgehoben, auch wenn die Windstärke nicht nachläßt, so daß das Abendessen wiederum in Stress ausartet und man schier das halbe Kilo Topfencreme noch festnageln müßte.
     
    Aus der Windstille in der Nacht entwickelt sich gegen Morgen erneut eine ungute und obendrein ordentlich kalte Brise. Vor unserer Abfahrt erhalten wir den Besuch eines Herren, der bei seiner Vorbeifahrt am Campingplatz zufällig unseren Jockl gesichtet hat. Seine Augen verraten alles: Liebe auf den ersten Blick! Völlig hingerissen umrundet er unseren Jockl, mustert seine antiquierten Rundungen und die flotte Kiste am Heck. Der Verliebte trägt seine kleine Tochter auf dem Arm, die er später für ein Foto auf dem Jockl zu deponieren versucht, diese sich jedoch behende weigert und in markerschütterndes Geplärr ausbricht, sobald er sie auf die Sitzbank heben möchte. Die Szenerie erinnert mich nur zu gut an meine eigenen Traktorbegegnungen in der Kindheit. - Da genügte schon, wenn der Bauer sein altersschwaches Vehikel ankurbelte, einen Vorgang, den ich jedes Mal gebannt und mit innerlichem Entsetzen verfolgte. Und ich sehe mich Knirps noch heute in wilder Panik über den weicherdigen Kartoffelacker rennen und nach meiner Mutter schreien, sobald sich das klapprige Gefährt mit furchterregendem Grollen in

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