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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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kuschelige Dörfer in grünen Senken und eine farbige Blumenpracht entlang des Weges, wie sie nur der Mai hervorzaubert.
    Auberive, Colmier-le-Haut, Recey-sur Ource, Voulaines-les-Templiers - alles Orte entlang der D428 bzw. D928 - lassen wir unbesucht zurück. Erst Vanvey, ein Weiler zwölf Kilometer vor Châtillon-sur-Seine, schafft uns wieder aus den Sitzen. Fast direkt an der Straße, an einem Nebenarm des Flusses Oucre, spiegeln sich das Dach und die lange Säulenreihe eines alten Waschhauses im Überschwemmungssee des übergelaufenen Baches. Durch das Geviert der Kamera von der Umwelt abgesondert, leuchten Waschhaus und See im spätnachmittäglichen Licht in beinah asiatischer Exotik. Im See wogen die unter Wasser gesetzten Gräser, darüber tanzen einige Blütenblätter weiß und duftig der Dorfbrücke entgegen.
    Am frühen Abend sichten wir die Turmlandschaft von Châtillon-sur-Seine, einer hübschen Kleinstadt am Rande des Forstes von Châtillon. Trotz schwerem Bombardements im 2. Weltkrieg blieb ein Großteil der Altstadt erhalten, als deren kunsthistorische wie optische Krönung zweifellos die Kloster- und Wallfahrtskirche Saint-Vorles hoch über den Häusern der Stadt angesehen werden kann. Hinter Bäumen versteckt, wenige Schritte vom Friedhof dieses ehrwürdigen Kirchenbaues aus dem 10. Jahrhundert liegt eigenartigerweise auch der Stadtcampingplatz. Na, uns sollen die nahen Toten nicht stören, solange diese sich nicht von uns belästigt fühlen.
    Ein weitläufiger Spaziergang eröffnet uns die Schönheiten des Ortes, die wir hier, wie so oft, auch in leerstehenden Häusern finden, wo sich hinter knarrenden Türen Müll und Gerümpel stapelt, aber auch verstaubte gußeiserne Öfen, kunstvoll geschnitzte Deckenbalken und Stiegenaufgänge oder dekorative Kamineinfassungen dem endgültigen Verfall entgegenmodern. Die Sehenswürdigkeiten eines Ortes beschränken sich in unserem Sinne also nie allein auf eine Spitzenreiter-Auswahl aus Reise- und Kulturführern; mitunter kommt es schon vor, daß wir der Jugendstil- Hinterhoftreppe in einem Altbau dem Kreuzgang eines Klosters den Vorrang geben.
    Auch in Châtillon halten uns Spinnweben, Staub und Kellerasseln kaum von einem Entdeckungsstreifzug ab. Zwischen Häusern, angefüllt mit Sperrmüll und Schutt, finden sich solche, die bewohnt wirken und solche, die es auch sind. Dann wieder steht man fast geblendet vor aristokratischem Glanz ansehnlicher Anwesen in noblem Aufputz; in jeder Nische, auf jedem Fensterbrett, an jedem Türklopfer die pflegende Hand eines Hausangestellten ahnbar. Wir traben schmale Treppengäßchen rauf und runter, queren Straßenzüge und Brücken und ducken uns durch niedrige Tordurchgänge, lesen am Archäologischen Museum, einem prachtvollen Renaissancebau, die Öffnungszeiten und schnaufen am Ende der Tour wieder zu Saint-Vóries hinauf, wo wir die lebendige Dachlandschaft der Stadt im gebrochenen Licht der untergehenden Sonne überblicken. Ein Besuch des Friedhofs bei den Ahnen der Stadt wird der letzte Programmpunkt des Tages.
     
    Massen von Krähen, wahrscheinlich die schwarzen Seelen der benachbarten Toten, kreischen uns frühzeitig aus den Federn und beenden unsere erste Nacht in Burgund. Um 9.00 Uhr rumpeln wir bereits zum Tor hinaus; zuvor passieren wir auf Wunsch des Campwartes freundlich smilend dessen Kamera. Er ist nicht der erste seiner Zunft und wird beileibe nicht der letzte sein, dessen Fotosammlung wir mit unseren Konterfeis bereichern. Saint Vóries müssen wir wie gestern unbesehen verlassen; die Öffnungszeiten sind nicht sehr Christen- bzw. kundenfreundlich. Dabei bewahrt die Kirche eine kostbare Grablege auf, die einen Besuch wünschenswert machen würde. Touristenschicksal!
    Wir lassen uns dennoch nicht aufhalten, Abbey de Fontenay ruft - und wir folgen schnurstracks. In einer zweieinhalbstündigen Fahrt, mit einem Picknick dazwischen auf einer sonnendurchflutenden Lichtung, erreichen wir das abgeschiedene Tal von Fontenay - zu spät. Mittagspause! Erst um 14.00 Uhr öffnen sich wieder die Pforten, allerdings nicht für uns. Einer der stärksten Publikumsmagneten Burgunds, das Zisterzienserkloster von Fontenay, bleibt für uns bestenfalls ein offenes Kapitel. Es steht geschrieben, und zwar in allen Texten, die das Kloster Fontenay zum Thema haben, daß die Anlage Weltflucht, Armut und Luxusverbot symbolisiert. Das mag wohl einst so gewesen sein; heute spricht ein großzügiger Busparkplatz gegen diese

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