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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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Sacré-Cœur doppelt imposant - ihr zartes, weidenumstandenes Spiegelbild im Wasser der Bourbince tauscht über ihre tatsächliche clunyazensische Mächtigkeit hinweg. Ein Rundgang Um das Bauwerk wird gleichsam zu einer Inszenierung romanischer Architektur. Besonders am Chorhaupt klingt in einer ausgewogenen Staffelung von Apsiskapellen, Chor, Chorumgang, Langhaus und Vierungsturm unweigerlich eine Ähnlichkeit mit Cluny an; folgerichtig darf sich Sacré-Cœur auch als ein kleinerer Nachfolgebau jenes, leider nicht mehr existierenden Monumentalwerkes von Cluny rühmen. Im Inneren der Kirche erlebt man sich, ohne Übertreibung, von einer fantastischen Raumwirkung wie absorbiert, noch dazu in Menschenleere und völliger Geräuschlosigkeit, daß wir die eigenen Schritte wie eine Entweihung des Friedens empfinden.
    Die Leere setzt sich in den Gassen der Stadt fort, wo höchstens ein paar Touristen unsere Wege kreuzen, stilecht ausgestattet mit Sonnenkäppis und -brillen, Flattershorts und Schlabbershirts, Videokameras und Michelin-Führer unterm Arm. Aber nicht nur Äußerlichkeiten verraten sie als Touristen par excellence, auch ihr Unterwegssein zu dieser mittäglichen Stund’ entlarvt sie als solche - genau wie uns - denn niemand sonst würde die französische Siesta in dieser Weise ignorieren und Sightseeing betreiben. Aber lange halten auch wir den nach Regen röchelnden Temperaturen nicht mehr stand. Gerade noch ein hitzelahmer Schwenk zum Hôtel de Ville, dessen prachtvolle Renaissance-Fassade man unbedingt gesehen haben muß, dann sackt jeder im spärlichen Schatten eines Cafés auf wackeligen Stühlen in sich zusammen. Ein Kellner wagt sich aus dem Dunkel des Hauses, stoppt kurz auf der Türschwelle, als müsse er sich für den ersten Schritt in die Krepierschwüle innerlich und äußerlich wappnen, bevor er an unseren Tisch dienert und unsere Bestellung entgegennimmt: »Zwoa Eiskaffee füa do und a Gfriatruchn füa donn zum Mitnemma!« - Schön wärs!
    Eine Stunde später stöhnen wir im eigenen Saft brutzelnd zum Camp zurück. Ein heraufziehendes Dunkelgrau im Westen macht deutlich, daß unser Schweiß heute gewiss nicht das einzige Naß des Tages bleiben wird. Trotzdem rüstet Wolfgang zu einem Ausflug ins gut 20 Kilometer entfernte Neuvy-Grandchamp, um dort in einem Landwirtschaftsmuseum Jockls antiquierte Verwandtschaft zu besuchen. Und während ich mich über die Auswirkungen einer beginnenden Verwahrlosung in unserem Zelt hermache und mich in nichtgedankter Hausfrauenarbeit übe, schiebt sich die mittlerweile zu dramatischer Schwärze verdüsterte Wolkenfront rapide heran. Heftiger Wind setzt schlagartig ein und reißt den Campingplatz aus schläfriger Lethargie. Überall finden plötzlich Wettrennen mit närrischen Windböen statt, die Säcke, Wäsche, Tischdecken, Bälle und andere flugtaugliche Utensilien über den Rasen fegen und im Geäst von Bäumen und Sträuchern festhaken oder festspießen. Erste schwere Tropfen plumpsen zur Erde und noch bevor richtiger Regen einsetzen kann, hagelt es - aber wie! Ein »ultimativer« Hagelsturm, um Wolfgangs Lieblingsadjektiv zu gebrauchen, wütet über uns hinweg. Fluchtartig ins Zelt verkrochen, erlebe ich die eisige Bombardierung mit einiger Sorge, ob die Zeltplane diesem wahren Trommelfeuer wohl standhalten würde und ob Wolfgang samt Jockl noch beizeiten Unterschlupf finden konnte. Hagelkörner bis zu zwei Zentimeter Durchmesser knallen minutenlang in ohrenbetäubendem Stakkato aufs Zeltdach, und jede Sekunde rechne ich mit einem Riß im Gewebe und sehe den Hexenkessel bereits zu mir hereinpeitschen. Nach zu Ewigkeiten gedehnten Augenblicken hat sich das Unwetter schon fünfzehn Minuten später ausgepowert und liegt mit einem zaghaften Tröpfeln in den letzten Zügen. Eine Amsel schickt ihr unbeschwertes Tirillieren den abziehenden Wolken nach, und am Camp regt sich wieder erstes Leben. Inmitten eines eisweißen Hagelkörner-Teppichs, der den Rasen unter sich zugedeckt hat, wirkt unser gelbblauer Iglu wie nach Grönland versetzt. Gott sei Dank hat es ebensowenig Schäden abbekommen wie Wolfgang und Jockl, die gegen 19.30 Uhr heil und trocken von ihrem Ausflug zurückkehren, einem sehr lohnenswerten noch dazu, wie Wolfgang zu berichten weiß. Das Museum und Jockls Verwandte, eine bunte Auswahl quer durch die Stammbäume verschiedenster Typen, sei ein kleiner und absolut sehenswerter Hit gewesen.
     
    Der nächste Tag zeigt sich unschuldig sonnig, als hätte

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