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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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anwesende Zivilstreife geleitet uns bei dieser Gelegenheit wie ein Eskortenführer in die Stadt hinein, wo wir die folgende Stunde mit Suchmärschen nach diversen Geschäften verbringen. Auch Charlieu kann uns in dieser Hinsicht mit einiger Geduld alles bieten.
    Die Sonne geht, die Schwüle bleibt und wir nehmen Kurs auf Pouilly-sur-Charlieu, überqueren kurz danach die breite Loire und steuern geradewegs auf die Madeleine-Berge zu. Wolfgang jagt den Jockl unbarmherzig aus dem Loire-Tal hinaus; dabei ziehen wir eine Rauchfahne hinter uns her, die ohne weiteres einen Feueralarm wert wäre und sämtlichen nachfolgenden Verkehr in graublauem Nebel verhungern läßt. Wie Kinder auf zu großem Spielzeug liefern wir uns durch kurzfristige rapide Beschleunigungen bis La Bénisson-Dieu den Spaß gelegentlicher »Vernebelungen«. Dann wird’s wieder kirchlich ernst. Das mit einem extrem steilen, bunten Ziegeldach gedeckte Hauptschiff - Rest der Abteikirche eines ehemaligen Zisterzienserklosters - sowie ein 51m hoher, gesondert und gleichzeitig diagonal zum Kirchenschiff stehender Turm zeichnen die Einmaligkeit der romanischen Kirche von La Bénisson-Dieu aus. Schließt man aus Höhe und Länge des Langhauses auf die einstige Gesamtgröße der Abtei, so muß diese von beeindruckenden Dimensionen gewesen sein. Selbst der Glockenturm verrät noch etwas von diesen wuchtigen Ausmaßen, wenn man den Kopf in den Nacken gelegt mit Blicken die Turmwände emporklettert und dabei fast in schwindeliges Schwanken gerät. Auch innen hält die Kirche, was ihr Äußeres verspricht, darüber hinaus wird man bei einem Rundgang die meisterhafte Skulptur einer Hl. Anna Selbdritt der Burgunder Schule aus dem 15. Jahrhundert entdecken.
    Als ob Frau Sonne wüßte, welch eminenten Anteil ihr Erscheinen zur allgemeinen Stimmung und Atmosphäre einer Landschaft beiträgt, läßt sie aus einer zerreißenden Wolkendecke ihr hellstes Gleißen über Höhen und Täler fluten. Toskanische Landstriche tauchen auf, an die wir uns bei der Weiterfahrt und besonders nach der Ortschaft Saint Germain-Lespinasse erinnert fühlen. Leuchtendes Ziegelrot deckt kleine goldene Dörfer auf den Hügeln ringsum, Zypressen da und dort und immer wieder Alleen. Einer dieser Orte nennt sich Ambierle und staffelt sich malerisch an einem Flußhang, umgrünt von Weingärten, geschmückt von einer gepflegten Blumenpracht. Wir nähern uns dem Ort in kurviger Bergauffahrt und finden an der Seite der gotischen Prioratskirche einen schattigen Parkplatz. So nehmen wir die buntbedachte Kirche mit ihrem schmalen, eleganten Mittelschiff denn auch quasi im Vorbeigehen mit. Unser Hauptinteresse gilt jedoch in erster Linie dem Musée forézian, einem der mustergültigst ausgestatteten Heimatmuseen seiner Art. Häufig verstehen weniger begnadete Museumsgestalter unter dem Begriff eines Heimatmuseums ein lieblos unter Glasvitrinen gefangengehaltenes, wahlloses Sammelsurium bäuerlicher Gebrauchsgegenstände und Gerätschaften; oder aber es sehen sich halbleere Bauernstuben, Küchen und Kammern mit verstaubtem und obendrein unpassendem »Heimatunrat« dekoriert. Wer dann die »guade oide Zeit« ohnedies nur mehr aus Büchern oder vom Hörensagen kennt oder zu kennen glaubt, müsste den Begriff Heimat logischerweise über Heugabeln, Ochsenjoche, Krachlederne, Goldhauben und Butterfässer definieren. Als ob ausschließlich der Bauernstand in einer solchen gelebt und gearbeitet hätte. Unter einem Heimat- oder Freilichtmuseum verstehe ich nicht nur von A nach B verpflanzte Gehöfte als Aufbahrungsorte für ausrangierte ländliche Accessoires aller Art. Aber - es gibt Ausnahmen und es gibt Museen, die zwar mangels Platzes oder anderer Hinderlichkeiten den Kern der Sache nicht ganz treffen, wo aber spürbar oder ersichtlich wird, hier bemüht man sich, eine gestellte Aufgabe im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten zu erfüllen. Ein solches Museum lernen wir hier in Ambierle kennen. Untergebracht in einer alten, sehr geräumigen Villa am Ortsrand bietet es dem Besucher einen guten Querschnitt über die frühere Lebensweise der Menschen dieser Region, des Forez. Jeder Raum gehört einem anderen Lebens- bzw. Berufsbereich; und angefangen von einer durchschnittlichen Wohn-Schlaf-Stube und Küche eines Bauernhofes sowie einer städtischen Mittelsstandswohnung bis hin zur Dorfschule, einer Apotheke, einem Krämerladen, sogar einer Kapelle, einer ländlichen Ordination und einer Wirtshausstube ist so

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