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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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gesamten Bauwerks ziehen als einziger Schmuck nur einige lebhaft skulptierte Kapitelle unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich. Aus der dunklen Kühle der Kirche ins flirrende Tageslicht getappt, greift man unsere geblendete Anwesenheit sofort auf und ruft uns zum Jockl. Dort wartet jener entschwundene Herr mit Rad in Begleitung einer kleinen, burschikosen Dame. Sie begrüßt uns in fließendem Deutsch, und alles findet nun Aufklärung. Der Bürgermeister des Ortes und seine eilig herbeizitierte Frau, eine Lehrerin, reichen uns die Hände zum Willkommen. Das wird ja immer toller! Schnell entspinnt sich ein anregendes Gespräch, in dessen Verlauf wir einiges über den Ort und seine Vergangenheit erfahren, natürlich nur im Austausch von Jockl-Infos und Details zu unserer Weiterreise. Über einem der Seitenschiffe der Kirche befindet sich ein kleines Museum zur Geschichte von Perrecy und der ehemaligen Eisenverhüttung in dieser Region. Wir hätten es gerne besichtigt, leider hat es außerhalb der Sommerferien geschlossen. Aber allein unser Fingerzeig auf die versperrte Tür veranlaßt den Herrn Bürgermeister erneut in die Pedale zu treten und keine zehn Minuten später mit einem scheppernden Schlüsselbund zurückzukehren. Und während er uns nun im ersten Stock der Kirche mit Dolmetschunterstützung seiner Frau einen Schnellsiedekurs in Heimatkunde erteilt, hallen vom Hauptschiff die herrischen Anweisungen der noch wenig festlichen Generalprobe bis zu uns herauf. Eine eigenartige Situation, in die wir da von einem Augenblick zum nächsten geschlittert sind und noch weiterschlittern, als auch noch eine Reporterin des örtlichen »Journals« vorstellig wird und die für uns mittlerweile obligat gewordenen Fotos klickert. Ungeplant lange dauert dieser Aufenthalt und unvermutet herzlich endet er auch mit kraftvollem Händeschütteln, Wangenküßchen und guten Wünschen.
    Die Über-drüber-Freundlichkeit dieser Leute hat uns dermaßen die Sinne vernebelt, daß wir wie benommen unsere Fahrt fortsetzen. In monotonem Geradeausgetucker erreichen wir eine gute Stunde später Paray-le-Monial, wo wir uns für zwei Nächte am Camp außerhalb der Stadt einquartieren.
    Von Westen zieht inzwischen verteufelt schnell eine tiefdunkelgraue Wolkenfront heran und komprimiert die Schwüle des Tages zu einer wahren Waschküche. Die unmittelbare gewittrige Bedrohung vermiest uns aber keineswegs die Freude auf den bevorstehenden City-Besuch inklusive seiner berühmten Basilika Sacré-Cœur. Die Einmaligkeit dieses Bauwerks lenkt von allem ab und fesselt unsere Blicke umso mehr an ihre unverwechselbare Silhouette mit den beiden engstehenden Türmen vor dem Narthex, dem extrem hohen Hauptschiff und einem alles- überragenden achteckigen Vierungsturm. Als wir unter ersten Windböen den Jockl vor der Basilika parken, übt sich gerade eine übermütige Hochzeitsgesellschaft im vergnüglichen Brauch des Reiswerfens, und ein nicht endenwollender weißer Regen prasselt auf das junge Glück hernieder. Und erst in der Gewissheit, mindestens ein halbes Kilo Körner in Dekolleté und Frisur der Braut und im Hemdkragen des Bräutigams deponiert zu haben, strömt das Volk zu den bereitstehenden Autos und überläßt Wolfgang und mich der Stille von Sacré-Cœur - ein wunderbares Bauwerk von anziehender Kargheit. Weniger anziehend gestaltet sich draußen die Witterung; wir schaffen gerade noch einen Eilbummel durch die Fußgängerzone, als der erste Guß den Abend von einer schwererträglichen Schwüle erlöst. Eine Eisbecher-Länge sitzen wir unter dem Sonnendach eines Cafés, dann nützen wir eine kurze Regenpause zur Flucht ins Camp zurück. Kaum den Reißverschluß des Zelts hinter unseren vier Buchstaben zugezogen, bricht der Donner-und-Blitz-Trubel auch schon richtig los, und bis weit in die Nacht wüten Wind und Regen ohne Unterlaß.
     
    Drückende Hitze hingegen treibt uns schon vormittags bald wieder aus dem Zelt, in dem wir wie zwei Kalbskeulen schmoren. Am späten Vormittag raffen wir uns dann endlich zu einem Spaziergang in die Stadt auf. Entlang des Canal du Centre wanken wir unter lähmender Schwüle geradewegs auf das wie eine Fata Morgana wirkende Bild der Basilika zu. Ein paar Lausbuben waten im Canal und versuchen ihr Anglerglück. Der Rest der Einwohner tafelt wohl gerade an bratenschweren Tischen oder hat für ein sonntägliches Wiesenpicknick der Stadt den Rücken gekehrt. Aus dieser Ausgestorbenheit Parays erhebt sich die Basilika

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