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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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das gestrige Höllenspektakel nie stattgefunden und unsere Campingamsel trällert die Anfangstakte des Schneewalzers - ja wirklich -, zumindest glauben wir beide, diese Melodie aus ihrem Gesang zu erkennen. Doch es sei dahingestellt, ob dies wirklich den Tatsachen entspricht. Unser Gehör hat in den letzten Wochen durch den ungewohnten Traktorkrach doch merklich gelitten, so daß wir uns manchmal im akustischen Out befinden und Dinge hören, die es nicht gibt oder umgekehrt nicht alles verstehen oder nur Bruchteile davon, selbst wenn wir ganz Ohr sind.
    Der erzwungene Abend im Zelt hat uns sämtliche Essensvorräte gekostet, so wird heut’ ein Großeinkauf nötig. Trotz des Montags finden wir einen geöffneten Supermarkt mit Tankstelle, wo sowohl unsere, als auch Jockls Bedürfnisse gestillt werden können. Dann mischen wir uns ab sofort wieder ins Asphaltgeschehen. Acht Kilometer nach Paray werden wir bei Yan in unserem Schwung gleich ordentlich ausgebremst. Wieder einmal stehen wir vor dem gehaßt-gefürchteten Schild »Autostraße« und wir müssen uns mit Umwegen weiterhelfen, was uns jedoch letztlich eine sehr reizvolle Wegvariante bescheren wird. Herrliche Alleen säumen das schmale Sträßchen nach Anzy-le-Duc, dessen eindrucksvoller Kirchenbau majestätisch von einer Anhöhe heruntergrüßt. Auch Schäden während der Revolution vermochten den Charme des romanischen Bauwerks nicht zu trüben, und nach wie vor gehört es zu den sehenswertesten Kirchenbauten in ganz Burgund. Portal, Kapitelle und Kragsteine - ein Ausbund an figürlichem Reichtum - leuchten in ockerfarbenem Sandstein, ja das gesamte Bauwerk erinnert in seiner farblichen Wärme an zypressenbewachte italienische Villen und Landpalazzi. Von dem der Kirche angeschlossenen Klostergeviert hat man einen super Blick auf den achteckigen prächtigen Vierungsturm, im wahrsten Sinne des Wortes die Krönung der ganzen Anlage.
    Arnay-le-Duc bleibt aber nicht das einzige Bonbon dieses Tages. Etwa zehn Kilometer südöstlich davon, wiederum hoch über einem grünen Tal, schlummert das kleine Städtchen Semur-en-Brionnais in seiner Obstgartenabgeschiedenheit dahin. Den sehenswerten Kern des Ortes bilden auf ziemlich engem Raum der romanische Bau der ehemaligen Stiftskirche Saint-Hilaire, Reste einer mittelalterlichen Burg mit zwei mächtigen Rundtürmen, das Rathaus aus dem 18. Jahrhundert und einige hübsche Bürgerhäuser; und wie schon so oft zuvor treffen wir auch hier kaum eine Menschenseele. Nur einige grauuniformierte Schwestern aus der nahen Klosterschule und zwei Sand karrende Arbeiter lassen unsere aufkeimenden Gedanken einer möglichen Evakuierung aller Einwohner wieder verblassen. Durch Straßen, leergefegt, wie es nur französische Montage vermögen, kurven wir auf der schmalen D9 nach Saint-Julien-de-Jonzy. Dabei wandern unsere Blicke ununterbrochen über die weiten Täler und Senken mit ihren Ortschaften bis hinüber zu den Madeleine-Bergen im Westen. Saint-Julien eignet sich nochmals vortrefflich für einen Panoramastopp, ehe wir in 6%igem Bergab aus Burgund hinaus- und in die Region Rhone-Alpes hineinrollen.
    Eine Dreiviertelstunde später absolvieren wir im elf Kilometer entfernten Charlieu erst einmal unsere touristischen Pflichten und zücken zwei Tickets für die Besichtigung der Klosterkirche oder besser gesagt den Resten davon samt einem noch gut erhaltenen Narthex mit Figurenportal aus dem 12. Jahrhundert. Allmählich macht sich bei uns jedoch eine gewisse »Kirchenmüdigkeit« bemerkbar, denn wir schlurfen nur mehr wenig beeindruckt durch das abgegrenzte Ausgrabungsareal des Klosters. Und damit sich unser Kulturhunger nicht wegen Übersättigung ins Gegenteil verkehrt, lassen wir alle romanischen Grundmauern in ihren freigelegten Gräbern zurück und widmen uns lieber der Innenstadt von Charlieu mit ihren vorzüglichen Gassen- und Straßenansichten, die selbst in ihrer Montagsruhe und den geschlossenen Geschäften nicht abweisend wirken. Fassaden aller Epochen, dazwischen auch Fachwerk, verleihen der Stadt einen malerischen Touch, und wir freuen uns schon auf morgen, wenn der umtriebige Wochenalltag und Dutzende Geräusche die Gassen zu Leben erwecken.
     
    Stechende Hitze schon am Vormittag läßt jede Eile bald erlahmen, und wer weiß wie lange der Campwart sich bereits in Tornähe herumdrückte, um nur ja unsere Abfahrt nicht zu verpassen - ein Klick, ein Foto - »Merci!« - und auch hier bleiben wir verewigt. Eine zufällig

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