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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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ziemlich alles vertreten, was man sich zu einem Dorf gehörig nur denken kann. Jedes dieser Zimmer wirkt echt und nicht gestellt, und eigentlich fehlen nur authentische Vertreter jener Zeit, um einen Alltag aus dem 19. Jahrhundert wiedererwachen zu lassen. Daneben finden sich Darstellungen verschiedenster Bräuche, Informationen über Tier- und Pflanzenwelt des Forez, weiters natürlich Trachten und Handarbeiten, Spielzeug und Geschirr, Konsumartikel und Medikamente und im Innenhof der Villa eine leider etwas fehlgelagerte Palette landwirtschaftlichen Geräts. Und wären wir nicht in Zeitnot - unsere späte Abfahrt in Charlieu rächt sich nun -, so würde man uns mit Sicherheit noch länger in diesem Museum angetroffen haben, jeder in einem anderen Stockwerk der Vergangenheit auf der Spur. Vierzig Kilometer bevorstehende Fahrt mahnen unweigerlich zum Aufbruch.
    Gleich hinter der Kirche von Ambierle führt ein einspuriges Sträßchen und in weiterer Folge die D4 mittenhinein in die Madeleine-Berge, durch waldige Einsamkeiten mit zuweilen tollen Aussichten hinunter in die Ebene, und hinauf nach La Crux-du-Sud. Die ausgesprochen kurvenreiche Strecke verläuft zeitweise durch einen sprichwörtlich dunklen Tann, wo sich nur Hansel und Gretel gute Nacht wünschen, gebettet auf grünem Farn und bewacht von Garden stolzer Fingerhüte. Hier passieren wir auch die Grenze zur Auvergne, doch noch kündet nichts vom unvergleichlichen Reiz dieser lange Zeit als rückständig gegoltenen Region. Erst wenige Kilometer vor Châtel-Montagne lichtet sich die dichte Bewaldung und macht Platz für einen der wenigen Orte in den dünnbesiedelten Madeleine-Bergen. Der granitenen, archaisch wirkenden Notre-Dame von Châtel, einer interessanten Stilmischung auvergnatischer und Burgunder Schule, gilt unser letzter Halt, bevor uns eine beschauliche Fahrt nach Le Mayet-de-Montagne bringt. Am nahezu menschenleeren See-Campingplatz des kleinen Lac des Moines werfen wir uns wahren Schwadronen von Mücken zum Fraß vor. Nach einer Stunde des Herumschlagens müde, bitten wir opferbereit zu Tisch und lassen die Biester schließlich an unserem nahrhaften Lebenssaft teilhaben.
     
    Was die Mücken als beulenpestige Reste von ihrem Mahl übriggelassen haben, begibt sich nach einem erfrischenden Regenguß zum Morgenkaffee nach Le Mayet hinein. Dort erwarten uns Sonne und ein paar Neugierige, die dem Jockl am liebsten bis ins Getriebe reinkriechen möchten. Ein Gast im Café, sichtlich einer der Bar-Stammkunden, begrüßt uns mit deftigem Handschlag und redet auf uns ein wie auf zwei störrische Esel - was immer er wollte, wir werden es nie mehr erfahren. Die anwesende Zuschauerschaft verblüffen wir später wieder mit unserem originellen Schlag-Stelle. Mittlerweile haben wir uns dazu auch gut ausgerüstet mit einem stattlichen Holzprügel, Marke Neandertal, der die nötige Schwere besitzt, um mit mäßig schwungvoller Wucht wirkungsvoll gehandhabt zu werden. »A rechte Freid is’s«, den Jockl unter kraftvollem Geknatter aus dem Dorf zu hetzen. Zurück bleiben am Ende eines aufgewühlten, wenig himmlischen »Kondensstreifens« die Bewunderer unser Höllenmaschine.
    Auf ungezählten Kurven geht es nach Ferrieres-sur-Sichon und dann weiter durch Gottes fast unberührte Natur hinauf zum Col de la Plantade in eine 870 m hohe Paßeinsamkeit mit Hügeln bis zum weiten Horizont und Schafen links und rechts unseres Weges. Massenweise Fingerhüte versetzen uns in einen derartigen Lila-Rausch, daß wir fast das Departement-Schild »Puy de Dôme« übersehen, dabei steht es groß in gelb auf blau am Straßenrand. »Wös sogst, jezt sama glott wieda do!« Dieser eher ungläubigen als sachlichen Feststellung folgt ein gespannter Blick zum südwestlichen Horizont, ob wir »sie« denn vielleicht schon erspähen könnten _ sie, die Kette der Puys - einen Reigen erloschener Vulkane, Wahrzeichen der Auvergne, eine der reizvollsten und faszinierendsten Landschaften Frankreichs. Endlich bei unseren geliebten Puys; sie haben uns bereits bei unserer Radtour mächtig umgarnt und mit den vielversprechenden Silhouetten ihrer Vulkankegel und den von Vegetation übergrünten Krateröffnungen für ungestillte Neugier und Interesse gesorgt. Jetzt rückt ein Wiedersehen in allzu greifbare Nähe. Doch zuvor beschert uns schlechter Asphalt noch eine holprige Abfahrt nach Palladuc, wo wir uns neben der Straße in mittäglicher Hitze einen ultimativen Jausenschmaus

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