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Mit Jockl nach Santiago

Mit Jockl nach Santiago

Titel: Mit Jockl nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fürböck
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See, finden wir noch ein rasenloses Fleckchen in einem größtenteils mit Dauercampern ausgelasteten Campingplatz. Wie erwartet, fallen bald die ersten Tropfen und die psychologische Folter eines anfangs noch unregelmäßigen Getröpfels beginnt. Jeder Tropfen ein kleiner Stich, einmal hier und einmal da, immer mehr, immer schneller und immer energischer, bis die Qual in einem befreienden Wasserfall endet und eine unruhige Nacht beginnt.
     
    Trotzdem oder gerade deswegen verschlafen wir. Natürlich regnet es nach wie vor! Könnte man an übler Laune sterben, dann wärs jetzt endlich soweit. Unser Zelt, unter dem ständigen Geprassel bis auf halbe Höhe mit aufgeweichter Erde bespritzt, sieht aus wie aus dem Schlamm gezogen. Und während Wolfgang um die Trockenerhaltung des Innenzelts kämpft, trage ich das Überzelt unter Wolken von Wut und Regen zum See und werfe es für ein Reinigungsbad einfach ins Wasser, nasser wie naß kann es jetzt ja nicht mehr werden. Wie ein beuteschweres Fischnetz ziehe ich es schließlich wieder an Land und konserviere es fangfrisch in einem Plastiksack. Unsere Planungen für heute ertrinken buchstäblich in einem deprimierenden Geplätscher. Nachdem wir uns alle eventuellen Abstecher und Umwege gleich mal aus dem Kopf geschlagen haben, bleibt nur die Frage nach dem Wohin offen.
    Kurz vor 12.00 Uhr schaffen wir den Aufbruch. Wie bestellt, wird auch der Regen heftiger, Wind gesellt sich mit einer passenden Schärfe dazu. Bereits sechs Kilometer weiter - der Staudamm des Sees sowie die Provinzgrenze nach Navarra liegen hinter uns - mißbrauchen wir samt Jockl das Vordach der Dorfkirche von Yesa für einen schützenden Unterstand. Der Wind peitscht den Regen heran, als säßen wir an Cornwalls stürmisch umtosten Land’s End-Klippen. Weitere sechs Kilometer bis Liedena und von dort über eine Abzweigung fünf Kilometer nach Sangüesa, dann langt’s uns! Schwerst gewässert, im Vorstadium zur Quallenentwicklung, tauchen wir dort in die stickige Wärme einer Bar ab. Bilder einer sonnigen Natur flimmern über einen Bildschirm in der Ecke, während es draußen Bindfäden regnet. Unsere latente Unschlüssigkeit zur Weiterfahrt drückt sich in wiederholten Kaffeebestellungen aus. Gott sei Dank kommen wir zu einer Entscheidung, bevor uns schlecht wird. Vor unseren innersten Finanzschöffen plädieren wir mit Nachdruck für ein Hotelzimmer, und zwar noch in dieser Stadt, egal wie sich das Wetter weiterentwickelt.
    Bis 16.00 Uhr - dann nämlich öffnet das Tourist-Office, um uns bei der Quartiersuche behilflich zu sein - geistern wir durch Sangüesas Siesta. Die Stadt bietet auf engem Raum, dank ihrer großen Vergangenheit, einige Kostbarkeiten, darunter vorrangig die unter Denkmalschutz stehende Kirche Santa Maria la Real mit ihrem reichfigurierten Südportal sowie Paläste, Pilgerhospize und Adelshäuser. Bei einigen Bauten veredeln ausladende, wuchtige Dachsparren mit brillantem Schnitzwerk ansonsten schmuckarme Gemäuer zu königlichen Fassaden. In ein und derselben Gasse dieser Pracht nimmt uns die kalte Schäbigkeit eines Hostals auf. Das Zelt tauschen wir hier gegen wenig Besseres: scheckiger Fliesenboden des Bades weitet sich bis in die eiskalte Schlafzelle mit ihren kahlen Wänden; ein Guckloch in Kopfhöhe erschwert den Blick in die Freiheit; Schimmel wächst in unregelmäßigen Mustern den Duschvorhang hinauf; locker duftige Walzen aus Haaren und Staub wabbern bei jedem Luftzug neugierig unter den Hängematten, die Betten sein sollen, hervor; die in Leintuch eingeschlagene Zudecke beherbergt ihrem Geruch nach Armeen von Staubmilben und über allem hallen unsere Stimmen wie Königsee-Echos. Wir flüchten ins Freie, sobald wir diese Zumutung, mangels anderweitiger Auswahl, notgedrungen bezogen haben.
    Bis in die frühen Morgenstunden hören wir das Regengegurgel am Dach - dann mit einem Male Ruhe! Am Vormittag endlich haben höhere Mächte Mitleid mit uns, als sie sehen, wie wir uns mit überdehnten Gliedern aus den Hängematratzen zu befreien versuchen, uns das durchdringende Dröhnen und Röcheln in den Wasserleitungsrohren unbestimmte, nicht zu lokalisierende Schmerzen in unseren Körpern zufügt, die Temperaturen im Zimmer jenen einer frostigen Zeltnacht nicht nachstehen und wir für all diesen »Komfort« auch noch ein ordentliches Sümmchen berappen müssen. »Nix wie weg aus dera Gruft!« Erschöpft aber froh, diesem Etablissement unversehrt entkommen zu sein, trotten wir zum

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