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Mit Kurs auf Thule

Mit Kurs auf Thule

Titel: Mit Kurs auf Thule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten A. Seaver
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Bischofs nach Grönland ging, war daher vielleicht der erste Priester überhaupt, der aus beruflichen Gründen dort anlandete, aber er hatte keinen besonderen Rang in der Kirchenhierarchie und bleibt insgesamt eine rätselhafte Gestalt. Dennoch ist sein Platz in der Geschichte |104| des nordischen Grönland gesichert, weil sechs verschiedene Annalen davon berichten, dass er 1121 aufbrach, um »nach Vínland zu suchen«. Danach hörte man nie wieder von ihm. 10
    Aus verschiedenen Gründen entzündeten sich um Bishof Eiriks Vínland-Fahrt in der Wissenschaft die schärfsten Debatten, und dies vor wie nach dem Fund der
Vínland-Karte
in Yale (vgl. hierzu ausführlich das »Postskriptum«). Zunächst einmal ist da der Ausdruck »suchen nach«. In den Einträgen der Annalen steht das Verb
leita,
das »sich auf die Suche nach etwas begeben« oder »gehen und suchen« bedeutet. Es ist im Altnordischen ebenso doppeldeutig wie im modernen Deutsch, denn es zeigt nicht an, wie viel der Suchende schon darüber weiß, was und wo er sucht. Zweitens geht es um Bishof Eiriks erklärtes Ziel Vínland, eine damals sagenumwobene Gegend, nachdem die Grönländer beschlossen hatten, sich auf amerikanische Gebiete weiter im Norden zu konzentrieren. Hatte der Bischof nur von diesem Ort gehört, hatte jemand vielleicht noch in Island oder während seiner Jahre in Grönland davon geschwärmt? Oder wussten er und seine Mannschaft tatsächlich genau, wohin sie sich wenden mussten? Drittens ist da der Grund für seine Expedition, an der ganz offensichtlich noch andere teilnahmen. Und viertens schließlich – hoffte Bischof Eirik einfach, einen Gewinn aus seiner Reise zu schlagen, oder wollte er einer oder mehreren kleinen Gruppen von Nordmännern auf der anderen Seite des Ozeans seine Dienste als Priester anbieten?
    Wir werden die Antwort auf diese Fragen nie erfahren. Fest steht nur, dass Bischof Eirik nicht nach Grönland zurückkehrte und die Grönländer die Sache selbst in die Hand nahmen, nachdem sie drei Jahre lang – die übliche nordische Wartezeit, wenn es um Fernreisen ging – nichts von ihm gehört hatten.
    Schon seit Langem war ihnen bewusst, dass das Christentum als ein starkes Machtinstrument dienen konnte. Es war deshalb kein Zufall, dass, trotz der ablehnenden Haltung Eiriks des Roten zur neuen Religion, die erste Kirche in Grönland gerade in Brattahlid gebaut wurde und nicht auf dem Land eines anderen Bauern und dass bald eine größere Kirche Thjodhilds Kapelle ablöste. Eirik wusste, worauf es ankam, wenn es darum ging, die eigene Macht zu wahren, und seine Nachfolger standen ihm in nichts nach. Obwohl die »Saga von den Schwurbrüdern« (die im frühen 11. Jahrhundert spielt) berichtet, das Thing oder die jährliche Versammlung, auf der über wichtige öffentliche Angelegenheiten beraten, Gesetze verabschiedet sowie Recht gesprochen wurde, sei damals in Gardar am Einarsfjord, nicht in Brattahlid, abgehalten worden, behauptet der norwegische Priester Ívar Bárdsson in seinem Bericht aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, dass der »Gesetzessprecher« |105| noch immer in Brattahlid gewohnt habe, an diesem nach wie vor machtvollen Ort. 11
    Der Gesetzessprecher berief das Thing ein und führte den Vorsitz. Um 1123 war der mächtige Bauer Sokki Thorsson sowohl Häuptling in Brattahlid wie auch Gesetzessprecher. Er berief diejenige Versammlung ein, die sich dann dafür aussprach, Grönland zu einer Diözese der norwegischen Kirche zu machen – eine auch machtpolitische Entscheidung. Dieses Arrangement sollte die Lücke, die Bischof Eirik hinterlassen hatte, mehr als nur füllen, denn Sokki und die anderen Häuptlinge konnten finanzielle Vorteile daraus ziehen, wenn ein Bischof und Geistliche im Lande lebten. Der Zehnte als Abgabe an die Häuptlinge als Besitzer der Kirchen war damals seit etwa zwanzig Jahren eine Pflichtabgabe in Island, und wenn die Grönländer es den Isländern gleichtaten, bekamen die Kirchenherren womöglich bis zu der Hälfte des Zehnten – aufgeteilt in ein Viertel für die Instandhaltung des Kirchengebäudes und ein Viertel für den Priester, der oft der Bauer selbst oder ein Angehöriger seines Haushalts war. Der Bischof und die Armen teilten sich dann die andere Hälfte. 12
    Wie in der »Saga von den Grönländern« und ausführlich in der »Saga von Einar Sokkison« berichtet, überredete Sokki die anderen Bauern, sich doch die Kosten eines Bischofs zu teilen. Sein Sohn Einar segelte nach Norwegen

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