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Mit offenen Karten

Mit offenen Karten

Titel: Mit offenen Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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haben. Eine Menge alter Damen werden so: Sie bilden sich ein, jedermann wolle sie vergiften – ihre Verwandten, ihre Dienerschaft und sogar ihre Ärzte. Mrs Graves hatte drei Ärzte, ehe sie zu Dr. Roberts kam, und als sie dann anfing, im Hinblick auf ihn die gleichen Hirngespinste zu entwickeln, überließ er sie nur allzu gern Dr. Lee. Er sagte, das sei das einzige, was in solchen Fällen zu tun sei. Und nach Dr. Lee hatte sie Dr. Steele und dann Dr. Farmer – bis sie starb, die arme Haut.»
    «Sie können sich nicht vorstellen, wie aus der kleinsten Sache eine Riesengeschichte wird», sagte Battle. «Sowie einem Arzt nach dem Tod eines Patienten etwas vermacht wird, weiß jemand etwas Bösartiges zu erzählen. Und warum sollte ein dankbarer Patient seinem behandelnden Arzt nicht irgendetwas Kleines oder sogar irgendetwas Großes vermachen?»
    «Es sind die Verwandten», sagte Miss Burgess. «Ich sage immer, nirgends tritt die menschliche Gemeinheit so zu Tage wie bei einem Todesfall. Sie streiten sich darüber, wer was bekommen soll, noch ehe der Leichnam kalt ist. Zum Glück hat Dr. Roberts nie derartige Unannehmlichkeiten gehabt. Er sagte immer, er hoffe, dass seine Patienten ihm nichts hinterlassen. Ich glaube, er bekam einmal ein Legat von fünfzig Pfund, und er hat zwei Spazierstöcke und eine goldene Uhr bekommen, aber sonst nichts.»
    «Ein Arzt hat kein leichtes Leben», seufzte Battle. «Er ist immer Erpressungen ausgesetzt. Die unschuldigsten Dinge können falsch ausgelegt werden. Ein Arzt muss immer peinlichst die Dehors wahren, und das bedeutet, dass er seine fünf Sinne immer beisammenhaben muss.»
    «Da ist viel Wahres daran», bestätigte Miss Burgess. «Ärzte haben ihre liebe Not mit hysterischen Weibern.»
    «Hysterische Weiber. Das ist es. Ich habe bei mir selbst gedacht, dass nicht mehr dahintersteckt.»
    «Ich vermute, Sie meinen diese schreckliche Mrs Craddock?»
    Battle gab vor, sich zu besinnen.
    «Warten Sie, das war vor drei Jahren, nein, länger.»
    «Ich glaube vor vier oder fünf. Sie war eine ganz haltlose Person! Ich war froh, als sie ins Ausland ging, und Dr. Roberts auch. Sie hat ihrem Mann die fürchterlichsten Lügen aufgetischt – das tun sie ja immer. Der arme Mann war nicht ganz wohl – seine Krankheit steckte schon in ihm. Er starb an Anthrax, wissen Sie, ein infizierter Rasierpinsel.»
    «Das hatte ich vergessen», log Battle.
    «Und dann ging sie ins Ausland und ist kurz darauf gestorben. Aber sie war mir immer unsympathisch – mannstoll, wissen Sie.»
    «Ich kenne die Sorte», meinte Battle verständnisinnig. «Sie sind sehr gefährlich. Ein Arzt muss einen großen Bogen um sie machen. Wo ist sie denn im Ausland gestorben – ich entsinne mich nur dunkel?»
    «Ich glaube in Ägypten. Sie bekam eine Blutvergiftung – irgendeine Infektion.»
    «Eine andere Sache, die für einen Arzt sehr schwer sein muss», sagte Battle und wechselte das Thema, «ist, wenn er den Verdacht schöpft, dass einer seiner Patienten von einem seiner Verwandten vergiftet worden ist. Was soll er tun? Er muss seiner Sache sicher sein – oder den Mund halten. Und wenn er Letzteres getan hat, dann ist es äußerst peinlich für ihn, wenn man nachher sagt, dass es bei diesem Tod nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Ich frage mich, ob Dr. Roberts je einen solchen Fall gehabt hat?»
    «Ich glaube nicht», überlegte Miss Burgess. «Ich habe nie etwas Derartiges gehört.»
    «Vom statistischen Standpunkt aus wäre es interessant zu wissen, wie viele Todesfälle im Jahr in einer ärztlichen Praxis vorkommen. Sie arbeiten zum Beispiel seit etlichen Jahren…»
    «Sieben.»
    «Sieben. Nun, wie viele Todesfälle sind schätzungsweise in dieser Zeit vorgekommen?»
    «Das ist schwer zu sagen.»
    Miss Burgess verlor sich in Berechnungen. Sie war jetzt schon ganz aufgetaut, und ihr Misstrauen war geschwunden. «Sieben – acht – ich kann mich natürlich nicht genau erinnern – ich würde sagen, nicht mehr als dreißig in der ganzen Zeit.»
    «Dann glaube ich, dass Dr. Roberts ein besserer Arzt ist als die meisten», meinte Battle aufgeräumt. «Ich vermute auch, dass seine Patienten größtenteils aus den besseren Kreisen stammen. Sie können es sich leisten, sich zu pflegen.»
    «Ja, er ist ein sehr beliebter Arzt. Ein hervorragender Diagnostiker.»
    Battle seufzte und erhob sich.
    «Ich fürchte, ich habe mein Ziel aus den Augen verloren, nämlich eine Verbindung zwischen dem Doktor und diesem Mr

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