Mit offenen Karten
Gleichmut wieder.
«Hut ab, Mrs Oliver, Hut ab», lobte er, «Sie haben uns diesmal übertrumpft. Das ist eine sehr wertvolle Information. Und es zeigt wieder, wie leicht einem etwas entgehen kann.»
Er runzelte ein wenig die Stirn.
«Sie kann nicht lange dort – wo immer es war – gewesen sein. Längstens zwei Monate. Es muss zwischen der Isle of Wight und ihrem Antritt bei Mrs Deering gewesen sein. Ja, das könnte stimmen. Natürlich erinnert sich Mrs Eldon nur daran, dass sie in eine Stellung nach Devonshire ging – sie erinnert sich nicht genau, zu wem und wohin.»
«Sagen Sie mir», ließ Poirot sich vernehmen, «war diese Mrs Eldon eine unordentliche Frau?»
Battle sah ihn erstaunt an.
«Es ist merkwürdig, dass Sie das sagen, Monsieur Poirot. Ich verstehe nicht, wieso Sie es wissen können. Die Schwester war eine sehr pedantische Person, und ich erinnere mich, dass sie während unseres Gesprächs sagte: ‹Meine Schwester ist so schrecklich unordentlich und nachlässig.› Aber wie können Sie das wissen?»
«Weil sie eine Stütze brauchte», riet Mrs Oliver.
Poirot schüttelte den Kopf.
«Nein, nein, das war es nicht. Es hat keine Bedeutung. Ich war nur neugierig. Fahren Sie fort, Superintendent.»
«Ebenso hielt ich es für selbstverständlich, dass sie von der Isle of Wight direkt zu Mrs Deering kam. Das Mädchen ist schlau. Sie hat mich gründlich getäuscht. Sie hat die ganze Zeit gelogen.»
«Lügen ist nicht immer ein Zeichen von Schuld», bemerkte Poirot.
«Ich weiß, Monsieur Poirot, es gibt die geborenen Lügner. Ich würde übrigens sagen, dass sie das ist. Sie sagen immer, was am besten klingt. Aber es ist trotzdem ein ziemliches Risiko, derartige Tatsachen zu verheimlichen.»
«Sie konnte nicht wissen, dass Sie irgendeine Ahnung von früheren Verbrechen haben», gab Mrs Oliver zu bedenken. «Um so mehr Grund, diese kleine Information nicht zu verheimlichen. Es muss damals in gutem Glauben angenommen worden sein, dass ein Tod durch Unglücksfall vorlag, also hatte sie nichts zu befürchten – außer sie war schuldig.»
«Außer sie war an dem Todesfall in Devonshire schuldig, ja», wiederholte Poirot.
Battle wandte sich an ihn.
«Oh, ich weiß. Sogar wenn sich herausstellt, dass dieser zufällige Todesfall nicht ganz so zufällig war, folgt daraus nicht, dass sie Shaitana getötet hat. Aber diese anderen Morde sind auch Morde. Ich will einen Verbrecher seiner Tat überführen können.»
«Nach Ansicht von Mr Shaitana ist das in manchen Fällen unmöglich», bemerkte Poirot.
«In Roberts’ Fall ist es so. Es bleibt abzuwarten, ob es in Miss Merediths Fall auch so ist. Ich fahre morgen nach Devon.»
«Wissen Sie, wohin Sie gehen müssen?», fragte Mrs Oliver. «Ich wollte Rhoda nicht nach weiteren Einzelheiten ausfragen.»
«Nein, das war sehr klug von Ihnen. Es wird nicht schwer sein, es muss ja eine Leichenschau stattgefunden haben. Ich werde es in den Berichten des Leichenbeschauers finden. Das gehört zum polizeilichen Handwerk. Bis morgen früh werden sie alles für mich herausgeschrieben haben.»
«Und Major Despard?», wollte Mrs Oliver wissen. «Haben Sie etwas über ihn herausgefunden?»
«Ich habe auf Colonel Races Bericht gewartet. Ich ließ ihn natürlich beobachten. Er fuhr nach Wallingford, Miss Meredith besuchen. Sie erinnern sich doch, dass er gesagt hat, er hätte sie vor jenem Abend nie gesehen.»
«Aber sie ist ein sehr hübsches Mädchen», murmelte Poirot.
Battle lachte.
«Ja, ich vermute, dass nicht mehr dran ist. Übrigens will Despard es nicht einfach darauf ankommen lassen. Er hat sich schon mit seinem Anwalt beraten. Das sieht aus, als würde er Unannehmlichkeiten befürchten.»
«Er ist ein vorausblickender Mann», sagte Poirot, «ein Mann, der auf jede Möglichkeit vorbereitet sein will.»
«Und deshalb nicht der Mann, in Eile einen anderen zu erstechen», sagte Battle seufzend.
«Außer es wäre der einzige Ausweg», meinte Poirot. «Bedenken Sie, dass er schnell handeln kann.»
Battle blickte ihn über den Tisch hinweg an.
«Nun, Poirot, was ist mit Ihnen? Sie haben Ihre Karten noch nicht aufgedeckt.»
Poirot lächelte.
«Mein Spiel ist so leer. Sie glauben vielleicht, dass ich Ihnen irgendwelche Fakten verheimliche? Dem ist nicht so. Ich habe nicht viel Tatsächliches erfahren. Ich habe mit Dr. Roberts, mit Mrs Lorrimer und mit Major Despard gesprochen (mit Miss Meredith muss ich noch sprechen), und was habe ich erfahren? Folgendes:
Weitere Kostenlose Bücher