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Mit Pflanzen verbunden

Mit Pflanzen verbunden

Titel: Mit Pflanzen verbunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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zerstampfte Wurzel auf schmerzende Körperstellen. Sie benutzten die Pflanze als schweißtreibendes Mittel, die Cherokee auch bei Menstruationsblockierungen und als „Tonikum“ für nervöse Frauen. Bei der Jagd und beim Angeln trugen sie Anhängsel aus Engelwurz, denn – davon waren sie überzeugt – dann würden sie Glück haben. Nicht anders als die Europäer kannten die Indianer die Engelwurz auch als Mittel zur Vertreibung von Dämonen. Die Irokesen wuschen das Haus mit einem Tee aus Engelwurzwurzel, um „Geister“ zu vertreiben.
    Auch auf der anderen Seite des Globus, in Indien, wird die Engelwurz ( Angelica glauca ) als Tonikum für das Blut und für das weibliche Genitalsystem verwendet. Die chinesische Medizin sieht in der Engelwurz fast ein Universalheilmittel.
Sonne für die Seele
    So wie Nicolas Culpeper, der berühmte astrologische Kräuterarzt aus London, charakterisiert auch Olaf Rippe von der Münchener Heilpflanzenschule Natura Naturans die Engelwurz als Pflanze der Sonne: „Engelwurz erhellt den Geist, erwärmt die Seele, reinigt die Aura und verbessert die persönliche Ausstrahlung.“ Sie stärkt unseren Willen, damit wir das, was uns zustößt, besser „verdauen“ können. Das ist symbolisch wie auch ganz konkret gemeint. Olaf Rippe verschreibt sie bei Verdauungsschwäche, Altersmagen, Blähungen, Bauchspeicheldrüsenschwäche, Darmdysbiose und Darmpilzen – denn „alle diese gehen mit Willensschwäche einher“ (Rippe 1999: 1312). Susanne Fischer-Rizzi sieht das ähnlich: „Ansteckung erfolgt, wenn der Mensch geistig und seelisch geschwächt ist.“ Die Kräuterkennerin verschreibt Angelikaessenz aromatherapeutisch als aufbauendes, stärkendes Mittel gegen das „Sich-Aufgeben“ und zur Stärkung der Entscheidungskraft (Fischer-Rizzi 1994: 62). Nebenbei soll sich die aromatische Essenz auch bei Stirnhöhlenentzündung bewährt haben.
    Es ist wohl auch diese die persönlichkeitsstärkende Kraft, die gemeint ist, wenn es in alten Kräuterbüchern und auch bei Johann Künzle heißt, „die Engelwurz stärke das Herz“. Mit „Herz“ meinte man in früheren Zeiten weniger das anatomische Pumporgan, sondern Lebensmut, Courage (französisch coeur = „Herz“), Lebensfreude, die einen herzhaft lachen, lieben und essen ließ, Güte und Großzügigkeit. Das Herz galt lange als Sitz der Seele, das „Herz“ kann brechen, kann vor Freude hüpfen oder vor Angst stehen bleiben. Man ist herzlich, barmherzig, warmherzig und hat ein Herz für andere. All diese Eigenschaften werden von der Angelika gestärkt.
    Die traditionelle chinesische Medizin kennt die Engelwurz (Angelica sinensis) als Dang-gui. Die Anwendung wird schon im ältesten chinesischen Kräuterbuch von Shen Nung, dem mystischen Kaiser und Erfinder der Heilkunde, erwähnt. Shen Nung wird mit Hörnern auf dem Kopf dargestellt – das ist meistens ein Zeichen, dass das Wissen uralt ist und paläolithische Wurzeln hat. Dang-gui ist eines der wichtigsten Heilmittel Chinas, es wird noch häufiger verwendet als Ginseng oder Lakritze. Dang-gui lässt sich als „richtige Ordnung“ oder „Wiederherstellung der Ordnung“ übersetzen. Es wirkt, indem es die vitale Energie (Chi) harmonisiert. Das ist übrigens genau das, was man im mittelalterlichen Europa als die Wirkung der „Sonne“ beschrieb: Der Planetengott Sonne (Sol) , der eine harmonische berechenbare Bahn am Himmelszelt zieht und dessen Licht die Finsternis vertreibt, war der Inbegriff der Ordnung und gütigen Stärke.
    Um das Wesen der Engelwurz zu beschreiben, wird in China die Legende von einem sanftmütigen jungen Mann erzählt, den raue Gesellen hänselten und dem sie vorwarfen, er sei kein richtiger Mann, sondern ein Waschlappen und Weichling. Um ihnen das Gegenteil zu beweisen, entschloss er sich, allein in die Wildnis zu gehen und ohne die Annehmlichkeiten der Zivilisation „seinen Mann zu stehen“. Seiner Frau, die er sehr liebte, sagte er: „Wenn ich nach drei Jahren nicht wiederkomme, heirate einen anderen, denn dann bin ich tot.“ Trotz aller Entbehrungen überlebte er die drei Jahre im wilden Gebirge. Doch als er wieder heimkam, war seine Frau schon mit einem anderen verheiratet. Beide waren zu Tode betrübt und wurden daraufhin sehr krank. Sicherlich wären sie auch gestorben, hätten sie nicht die Wurzeln der Engelwurz gegessen. Dang-gui stellte sie wieder her und gab ihnen frischen Lebensmut.

    Fußnoten
    1 Mazerieren bezieht sich auf die Herstellung einer

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