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Mit Pflanzen verbunden

Mit Pflanzen verbunden

Titel: Mit Pflanzen verbunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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Mazeration (lateinisch macerare = einweichen). Das bedeutet, dass man die Pflanzenmaterie einige Stunden, Tage oder auch Wochen in Wasser oder anderen Flüssigkeiten bei Zimmertemperatur ziehen lässt.
    2 Als Erfinder des Wundermittels gilt der König Mithridates (1. Jh. v.Chr.). Der König, der in Pontes (Kleinasien) herrschte, trank seit frühester Kindheit täglich Blut von Enten, die mit verschiedenen Giften angereichert worden waren. Das sollte den König gegen Giftmord feien. In der Geschichte wurde er als Meister der Gifte und Gegengifte bekannt sowie – aus verständlichem Grund – der Leberheilpflanzen. Nachdem er sich erdreistete, sämtliche Römer in Ephesus umzubringen, bekam er die ganze Wucht des Imperiums zu spüren. Seine Armee wurde vernichtend geschlagen. Mit Gift konnte er sich nicht das Leben nehmen, um der Schmach der Gefangenschaft und des Triumphzuges zu entkommen. Er musste sich mit dem eigenen Schwert töten.

Goldrute
    Die Goldrute verbindet, was getrennt wurde.
    Roger Kalbermatten

    Die Goldrute, sowohl die großen amerikanischen Arten als auch die delikatere europäische, begleitet mich schon lange auf meinem Weg. Ich muss etwa neun Jahre alt gewesen sein, da zeigte sich mir die kanadische Goldrute mit ihren hohen, goldgelben Blütenrispen zum ersten Mal. Sie wuchs im kleinen Gemüsegarten, den der „alte Groth“ hinter unserem Haus angelegt hatte. Herr Groth bewohnte mit seiner erwachsenen Tochter ein kleines Kellerzimmer in dem mit Flüchtlingen voll gestopften Mietshaus in Oldenburg und teilte die Küche mit uns. Oft saß ich mit dem Alten, der mir den Großvater ersetzte, auf der Gartenbank und spitzte die Ohren, wenn er von seinen Abenteuern in den schlammigen Schützengräben in Flandern erzählte. Er war es wohl, der mir die Anregung gab, selbst ein Gärtchen anzulegen. Sorgfältig entfernte ich Schutt und Unrat neben der Hausmauer und pflanzte auf einer kaum einen Quadratmeter großen Fläche eine Kartoffel, einen Kohlsetzling und den Ausläufer einer Goldrute. Alles gedieh gut, vielleicht zu gut, denn die Hausbesitzerin beschuldigte mich, Humus aus ihrem Gartenbeet gestohlen zu haben. Hatte ich aber nicht. Mein Geheimnis waren die Pferdeäpfel, die ich auf dem Heimweg von der Schule in meinem Ranzen sammelte und später in mein Gemüsebeet hineinhackte. Der alte Groth wird mir nicht nur wegen der Goldrute oder wegen seiner Geschichten unvergesslich bleiben, sondern auch wegen der Art und Weise, auf die er starb. Eines Morgens sagte er zu seiner Tochter, ehe sie sich auf den Weg zur Arbeit machte: „Heute stehe ich nicht auf. Heute sterbe ich. Weine nicht zu sehr.“ Und so war es auch. Als sie am Abend zurückkam, hatte der alte Mann das Zeitliche gesegnet. Es gab keine Anzeichen dafür, dass er krank gewesen wäre.
    Als ich elf Jahre alt war, wanderten wir nach Ohio aus. Dort begegnete mir die Goldrute wieder, diesmal nicht als selten anzutreffendes Gartengewächs, sondern in Form eines goldgelben Blütenmeers, das im Herbst – im Wechsel mit rotlila und purpurn blühenden Astern, Eisenkrautarten und dem weißen kanadischen Berufskraut – riesige Flächen bedeckte.
    Die blühende Goldrute ist ein Teil des farbenprächtigen Indian Summer , der zugleich das Laub der Wälder zitronengelb, orange, korallenrot und purpurn auflodern lässt. Nachdem die Goldrute verblüht ist und ihre kleinen behaarten Früchte mit dem Wind davongeflogen sind, trocknen die Stängel aus. Diese eignen sich dann gut zum Basteln. Wochen und Monate verbrachte ich als Schuljunge damit, draußen am Waldrand aus diesen Stängeln kleine Häuschen zu bauen. Ganze Dörfer entstanden daraus, mit Straßen, Brücken und Türmen. Wenn meine Zwergensiedlung irgendwann endlich fertig war, kaufte ich mir Modellflugzeuge und Streichhölzer und spielte Bombenangriff, bis das hübsche Dorf in Schutt und Asche lag. Anschließend fing ich von vorne an und baute das Dorf wieder auf. Jedes Jahr spielte ich das eigenartige Spiel; wäre ein Psychologe dazu befragt worden, er hätte wohl eine psychische Störung diagnostiziert. Heute weiß ich, dass ich mich durch dieses Spiel aus der frühkindlichen Traumatisierung, die Krieg und Bombenangriffe in mir bewirkt hatten, frei spielte. Im Nachhinein kann ich sagen, die Goldrute hat mir dabei sehr geholfen.

    Goldrute (Solidago sp.)
    Echte Goldrute (S. virgaurea)
    Kanadische Goldrute (S. canadensis)
    Riesen-Goldrute (S. gigantea, S. serotina)

    Weitere Benennungen: Der

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