Mit Pflanzen verbunden
nicht helfen. Da habe ich mir Ihren Rat zu Herzen genommen und habe mir Tee aus Goldrute gemacht. Ich habe das Kraut in kaltem Wasser eingeweicht, zehn Stunden ziehen lassen – genau wie Sie es beschrieben hatten – und täglich mehrere Liter davon getrunken. Nach einiger Zeit ging es mir besser, und nun habe ich überhaupt keine Beschwerden mehr.“
Die Goldrute, die ihr das Leben rettete, war allerdings nicht die europäische gewesen, sondern die in Wyoming einheimische Kanadische Goldrute. Sie hatte bei der Vorlesung nur „Goldrute“ gehört und nicht die Arten unterschieden. Seither habe auch ich diese kräftige Heilpflanze bei Nierenentzündung und anderen Nierenleiden angewendet. Und mittlerweile weiß ich auch, dass die amerikanischen Goldrutenarten schon für die Indianer wichtige Heilpflanzen waren.
Die Goldrute bei den Indianern
Indianische Medizinleute verwendeten fast alle nahezu hundert Goldrutenarten, die in Nordamerika wachsen. Die Heilkunde der Indianer bestand vor allem aus Kräuterheilkunde, Schamanentum und Schwitztherapie. Der größte Teil des immensen Wissens dieser Ureinwohner ist im Laufe ihrer zwangsweisen Akkulturation, also der Angleichung an die Kultur der Invasoren, der Verdrängung der Indianer aus ihren angestammten Gebieten und vor allem durch das mangelnde Interesse der ethnozentrischen Siedler verloren gegangen. Vom Kräuterwissen der Ojibwa, einem Algonkin-Volk am Großen See (Lake Superior) in Nordamerika, das vor allem von Wild- oder Wasserreis (Zizania aquatica) lebte, ist jedoch mehr überliefert. Noch heute hüten die Midewiwin, die Medizingesellschaft des Stammes, das über viele Jahrtausende angesammelte Heilpflanzenwissen. Dieses Wissen, erklären sie, wurde ihnen von barmherzigen Manitus (Geistwesen) im Traum und in der Vision offenbart. Das Wissen ist so kompliziert, dass es über viele Jahre hinweg in einem System von vier Einweihungsgraden erworben werden muss. Der Midewiwin-Heiler lernt nicht nur, die Krankheitsgeister zu erkennen, sondern er muss auch Kräuter genau bestimmen können und die Sprüche und Rituale für die Pflanzenmanitus meistern lernen. Auch die komplizierten Rezepturen 1 der traditionellen Heilmittel, die oft mehr als ein Dutzend Pflanzenarten enthalten, muss er kennen und ihre Anwendungsweisen beherrschen 2 .
Es überrascht nicht, dass die Ojibwa-Midewiwin für die vielen Goldrutenarten, die im nordamerikanischen Gebiet der Großen Seen (great lakes) wachsen, eine regelrechte „Solidagologie“ entwickelten. Sie nennen die Goldrute Giziso Mukiki , „Sonnenmedizin“. Vor allem die Wurzel galt von jeher als wertvoll. Wenn der Heiler sie ausgrub, opferte er ihr immer etwas Tabak und sprach mit ihr.
Es würde zu weit führen, die vielen Anwendungen der Gold-rute bei den Ojibwa hier aufzunehmen. Generell wurden Goldrutenblätterabkochungen bei fiebrigen Erkrankungen getrunken, die gekochten Blätter als Umschläge bei Verstauchungen und Prellungen aufgelegt und die in Bärenschmalz gekochten Wurzeln als Haarpomade verwendet. Vor der Rehjagd wurde mit dem Kraut geräuchert, damit der Jäger „wie Rehfüße rieche und das Reh nicht erschrecke“. Bei Vorsteherdrüsenentzündung und Harnverhalten wurde eine Abkochung aus Goldrutenwurzeln als Klistier verabreicht. Das Instrument, das jeweils nur einmal benutzt wurde, bestand aus einer Rehblase und einem mit Ulmenbast daran befestigten Schilfrohr.
Bei Schlangenbiss legten die Ojibwa die „östliche“ Medizin (Wabunowuk) auf die Bisswunde. Sie bestand aus dem angefeuchteten Pulver getrockneter Blüten: Blüten der Riesengoldrute, des Grünen Sonnenhuts (Rudbeckia) , der blau blühenden Duftnessel (Agastache anethiodora) und einer kleinen Sonnenblume. Die Medizin, die auch bei Verbrennungen verwendet wurde, sei so stark, dass „derjenige, der seine Hände damit behandelt, in einen Topf kochendes Wasser greifen kann, ohne sich zu verbrennen“. Die Medizin wurde durch Wabun , den goldenen Adler und den Geisthüter des Ostens, offenbart, daher ihr Name. (In allen alten Mythologien, nicht nur der indianischen, ist der Adler ein Gegenspieler der Schlangen.)
Die Zuni in Neumexiko bereiten aus den zerstampften Blüten der Kanadischen Goldrute einen Kaltwasserauszug gegen „Schmerzen in der Nierenregion“. Es handelt sich dabei um eine allgemein angewendete Medizin, nicht um Geheimwissen der Medizinleute. Bei Halsschmerzen werden die Blüten gekaut (Stevenson 1915: 26). Goldrute, wie auch andere
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