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Mit Pflanzen verbunden

Mit Pflanzen verbunden

Titel: Mit Pflanzen verbunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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den getrockneten Huflattich (farfarum) mitsamt der Wurzel auf glühende Zypressenkohle zu legen und den Rauch mittels eines Schilfrohrs wie durch ein Pfeifenrohr einzusaugen und zu verschlucken (Höfler 1911: 255).
    Nach der antiken griechischen Überlieferung soll der Huflattich den blutigen Hufabdrücken der Kentauren entsprossen sein, als diese mit den Menschen kämpften. Kentauren sind wilde, heilkundige Pferdemenschen. Ihr Oberkörper und Kopf sind menschlich, ihr Unterleib dagegen ist der eines Pferdes. In ihrer Gestalt symbolisieren sie die Verbindung des kühlen Verstandes mit den sicheren Instinkten eines Tieres – eine Eigenschaft, die jeder Heiler haben sollte. Chiron, einer der Kentauren, galt als Lehrer der Heilkundigen wie etwa des Arztes Äskulap oder des Helden Achilles.
    Selbstverständlich kannten auch die Kelten und Germanen diese Heilpflanze, die den Sieg der Sonne über den dunklen Winter ankündigt. Die keltischen Völker weihten diese Pflanze ihren Pferdegöttinnen: der gallischen Epona, der irischen Macha und der walisischen Rhiannon. Wo immer Epona ritt, da entsprangen der Erde unter ihren Hufen Huflattichpflanzen. Das Pferd galt als Sonnentier. Die Menschen lebten damals mit der Vorstellung, die Sonne durchmesse mit einem Pferdegespann tagsüber den Himmel und nachts die Unterwelt. Durch Marcellus Empiricus, einen Gallier, der im vierten Jahrhundert im römischen Bordeaux lebte, lernen wir den gallisch-keltischen Namen der Pflanze kennen: Calliomarcus, „Huf des Pferdes“ ( Marko, Marc = Pferd). 3 Die Kelten, so schreibt er, sammelten die Pflanze bei abnehmendem Mond zur Ebbezeit an einem Donnerstag und atmeten bei Husten und Lungenerkrankungen ihren Rauch ein (Marzell 2002: 288).
    Keltische Wurzeln hat wahrscheinlich auch der mittelalterliche Brauch, Pferden, die lange im Stall standen, Huflattichblätter mit in den Hafer zu mischen, um sie vor Schadenzauber und Krankheiten zu schützen.
    Die große Kräuterkundige Hildegard von Bingen erwähnt den „Huflatta minor“ 4 als Zusatz zu Arzneigetränken gegen Leberleiden und Leberverhärtung sowie gegen Fieber und Magenkrankheiten. Das ist eine unerwartete Anwendung der Pflanze. Neuere Untersuchungen ergaben jedoch – ähnlich wie bei der Pestwurz – eine krampflösende und schmerzstillende Wirkung des Huflattichs bei neuro-vegetativ bedingten Magenbeschwerden und schmerzhaften Krämpfen der Gallenwege (Müller 1993: 119).
    Nicht nur als Heilmittel steht der Huflattich seit alters in gutem Ruf, sondern auch als Wildgemüse. Im Allgäu wurden die jungen Blätter gern unter die Kartoffeln geschnitten. In Russland kommen junge Blätter und Knospen mit ins Gemüse – vor allem zu Kohlrabi –, in die Kräutersuppe, in den Kartoffeleintopf, ins Rührei oder sie werden klein gehackt als Brotbelag gegessen (Koschtschejew 1990: 201).
    Inzwischen jedoch ist es mit dem guten Ruf des Huflattichs vorbei. Von offizieller Seite wird vor der innerlichen Anwendung als Heilmittel und vor der Verwendung als Nahrungsmittel gewarnt. Wie es dazu kam, soll nun berichtet werden.

Pyrrolizidinalkaloide
    Mit einem Schreiben an über tausend größere und kleinere Arzneimittelhersteller kündigte das Bundesgesundheitsamt (BGA) im Sommer 1988 das Verbot von 14 Heilkräutern an. Es handelte sich um Kräuter, die seit Jahrtausenden zur Linderung und Heilung von Krankheiten dienen und die in über 2500 Naturheilmitteln zu finden sind (Schlebusch et al 1989: 12). Betroffen waren unter anderem Huflattich, Borretsch, Pestwurz, Beinwell, Kreuzkraut und Wasserdost (Eupatorium) . Tierexperimente in England, den USA und Japan hätten bewiesen, dass diese Pflanzen die Leber vergiften und Krebs auslösen würden (Foster 1993: 76)! Schon der Begriff „Krebs“ ist für die meisten Menschen ein Schreckgespenst und nun sollten Heilpflanzen, die man ja mit Heilen und Gesundwerden assoziiert, diese schreckliche Geißel hervorbringen! Das Hippie-Wunderkraut Beinwell (comfrey) verschwand in den USA plötzlich von der Bildfläche und auch an den Huflattich wagte sich niemand mehr. Sogar Baldrian und Kamille gerieten vorübergehend in Verruf. Dies war auch beabsichtigt; die Öffentlichkeit sollte davon überzeugt werden, dass die Produkte der Pharmaindustrie viel sicherer seien als die natürlichen Heilkräuter. Wo kämen wir schließlich hin, wenn sich jeder seine Heilmittel selbst pflücken würde, so wie es angeblich ungebildete Leute, wie etwa die Kräuterfrau Maria Treben,

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