Mit Schimpf und Schande
Anbetracht dieses Ergebnisses kann ich an ihrem Handeln nichts ›Eigenwilliges‹ oder ›Fragwürdiges‹ erkennen.«
»Ach, können Sie nicht? Soso«, murmelte der Fremde. Paul versteifte sich, und der andere lächelte eine geheuchelte Entschuldigung. »Ich meine, was den Ausgang anbetrifft, haben Sie selbstverständlich recht. Und sie hat die Reparaturbasis samt Besatzung gerettet. Einschließlich Ihnen .«
»Und was wollen Sie damit nun sagen?« fuhr Paul den Mann an. Er registrierte, daß sich in Dempsey’s eine Stille ausbreitete, die bei ihm und dem Fremden ihren Ausgangspunkt hatte. Kaum vermochte er die Mühelosigkeit fassen, mit der die Konfrontation sich aufgebaut hatte, und die Leichtigkeit und das Geschick, mit der der andere ihn provozierte. Daß es sich dabei um keinen Zufall handeln konnte, war ihm klar, aber das interessierte ihn nicht mehr.
»Nun, lediglich, daß ihre Gefühle für Sie – wohlbekannte Gefühle, möchte ich hinzufügen, für jeden, der eine Zeitung zu lesen versteht – sie vielleicht beeinflußt haben.« Die Miene des Fremden bestand nur noch aus eiskaltem Hohn. »Ohne Zweifel furchtbar romantisch, aber dennoch muß man sich fragen, ob die Bereitwilligkeit, mit der sie Tausende von Menschen opferte, nur um jemanden zu retten, den sie liebte, bei einem Navyoffizier wirklich eine erstrebenswerte Eigenart darstellt. Was halten Sie eigentlich davon, Captain?« Paul Tankersley wurde kreidebleich. Mit den langsamen, übermäßig kontrollierten Bewegungen eines Mannes, der kurz davor steht, Zuflucht zu Gewalt zu nehmen, erhob er sich von seinem Barhocker. Der Fremde war größer als er, und trotz seines schlanken, drahtigen Körperbaus wirkte er überaus fit. Dennoch bezweifelte Tankersley keine Sekunde, daß er den Kerl windelweich prügeln könnte, und im Augenblick hätte er nichts lieber getan. Aber die Alarmsirenen in seinem Inneren waren noch lauter und eindringlicher geworden und durchbrachen sogar den roten Schleier der Wut. Das alles war zu schnell gegangen, war völlig ohne Warnung über ihn hereingebrochen, als daß er klar denken konnte, und trotzdem nicht schnell genug, als daß er nicht begriffen hätte, daß es mit voller Absicht geschah. Er wußte nicht, weshalb dieser Mann es darauf anlegte, ihn zu provozieren, aber er spürte die Gefahr, die drohte, wenn der andere Erfolg hätte.
Er atmete tief durch und wünschte sich nichts auf der Welt mehr, als dem Kerl dieses verächtliche Grinsen aus dem hübschen Gesicht zu prügeln und es dabei wesentlich weniger hübsch zu hinterlassen. Einen angespannten Moment stand er drohend vor ihm, aber dann wandte er sich mit Mühe ab und wollte davongehen. Aber der Fremde war noch nicht fertig. Er stand ebenfalls auf, lachte Tankersley hinterher, und seine erhobene Stimme war bis in den letzten Winkel der still gewordenen Bar zu vernehmen.
»Sagen Sie mir mal, Captain Tankersley – ficken Sie wirklich so gut? So gut, daß Harrington sämtliche ihrer Schiffe riskierte, nur um Sie nicht zu verlieren? Oder wollte sie nur so verzweifelt jemanden – irgend jemanden – zwischen die Beine bekommen?«
Diese überraschende Primitivität war zuviel. Durch sie zerbrach Tankersleys Selbstkontrolle, und er peitschte mit todesverkündendem Gesicht herum. Dem anderen entglitt für einen Augenblick das Grinsen, und dann trafen ihn nacheinander zwei stahlharte Fäuste, bevor er sich auch nur bewegen konnte.
Paul Tankersley besaß den Schwarzen Gürtel im Coup de vitesse . Deshalb gelang es ihm, den beiden Faustschlägen die tödliche Wirkung zu nehmen, aber nur um Haaresbreite. Die eine Faust grub sich tief in den Bauch des Fremden. Mit einem schmerzerfüllten, erstickten Aufschrei klappte er zusammen, und dann schoß die andere Faust von unten herauf und trieb ihm den Kopf mit einem lauten Krachen in den Nacken.
Der Fremde torkelte mit wirbelnden Armen rückwärts von Tankersley weg und warf dabei mehrere freie Barhocker um. Ohne recht zu wissen wieso, riß Tankersley sich zusammen und versetzte ihm nicht den Fangschlag.
Er blieb schwer atmend stehen, geschockt über sein eigenes Verhalten und gleichzeitig zitternd vor Verlangen, noch einmal die Faust in diese höhnische Visage zu senken, während deren Besitzer mit einem schluchzenden Schrei an der Vorderseite der Theke zu Boden rutschte, das Gesicht in den Händen geborgen. Blut aus den zu Brei geschlagenen Lippen und der zerschmetterten Nase sickerte ihm durch die Finger, und er wiegte
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