Mit Schimpf und Schande
schälte. Eine Chance, es zu identifizieren, erhielten die Posten indessen nicht. Colonel Ramirez’ offizieller Operationsplan sah vor, daß sein Stabszug die Rolle einer schnell reagierenden Verteidigungseinheit übernahm, die gegen den Rest der Marines antreten sollte. Um die Geschichte für die ›Angreifer‹ ein wenig interessanter zu gestalten, hatte er das Stabspersonal statt mit den Lasermarkiergewehren und -pistolen, die ihre Kameraden besaßen, mit Betäubern ausgerüstet. Die gesamte Außensicherung des Chalets lag betäubt am Boden, bevor sie auch nur begriff, daß sie angegriffen wurde.
»Was fangen wir denn jetzt mit denen an, Sir?« fragte Sergeant-Major Ivashko über sein Anzugcom, während er mit der Stiefelspitze einen schlaffen Körper anstieß.
»Am liebsten würde ich sie erfrieren lassen, aber freundlich wäre das nicht gerade.« Ramirez sah sich um und spähte durch das Schneegestöber. Er orientierte sich an der Karte, die die Prince Adrian aus dem Orbit überfragen hatte, bevor das Wetter zu schlecht wurde. »Da drüben ist ein Lagerschuppen, Gunny. Sperren Sie die Kerle da ein.«
»Aye, Sir.« Ivashko warf einen Blick auf das kleine taktische Display in seinem Helm und pickte sich zwei nahebei stehende Bojen heraus. »Coulter, Sie und Malthus haben Babysitterdienst. Bringt sie in den Schuppen und paßt auf, daß nichts Dornröschens Schlaf stört.«
Senior Chief Petty Officer Harkness mochte die Marines nicht. Die Ursache dafür lag in einem Instinkt begründet, den er niemals hinterfragt hätte, aber in dieser Nacht war er bereit, Ausnahmen zu machen. Er stiefelte hinter Lieutenant Tremaine her und bewachte mit einem Auge seinen Offizier, während er mit dem anderen Colonel Ramirez’ Leute bei der Arbeit beobachtete.
Nachdem die Außensicherung ausgeschaltet worden war, umzingelten die Marines das Chalet, suchten und fanden die Überland-Kommunikationsleitung, machten sie unbrauchbar, richteten Störsender auf die Satellitenanlage des Gebäudes und trennten jede Verbindung – und benötigten dazu weniger als vier Minuten. Während die meisten damit beschäftigt waren, formierte sich der Stabszug rings um Ramirez, und der Colonel verteilte die mit Betäubern bewaffneten Leute auf die einzelnen Türen des Gebäudes.
Lieutenant Tremaine hielt sich an den Colonel. Harkness hatte bislang nicht einmal bemerkt, daß Sergeant-Major Babcock an der Schau teilhatte, bis er sie hinter Ramirez sah. Er schüttelte den Kopf. Der Skipper mußte bis über beide Ohren in der Sache mit drin stecken, und das bedeutete, daß er der Gunny nicht allzuviel anhaben konnte – offiziell jedenfalls nicht. Aber Harkness erwog, sich im Privaten einen langen, blutigen Streifen von ihr abzuschneiden. Der Colonel führte seine Abteilung an den Vordereingang des Chalets und probierte sanft die Klinke. Die Tür war wie erwartet verschlossen, aber davon ließ Ramirez sich nicht aufhalten. Er nahm das Betäubergewehr in die rechte Hand – die schwere Waffe wirkte darin so klein und so leicht wie eine Spielzeugpistole – und zog eine kleine, flache Schachtel aus einer Tasche an seinem Gurtzeug. Er hielt sie gegen die Tür und drückte einen Knopf. Das Schloß entriegelte sich auf der Stelle. Mit der Stiefelspitze schob Ramirez die Tür auf. Kalter Wind stürmte ins Gebäudeinnere, und jemand fuhr den Colonel mit einer scharfen, ärgerlichen Bemerkung an. Der riesige Offizier zuckte mit keiner Wimper, sondern drückte den Abzug seiner Waffe und trat durch die Tür, bevor, wer auch immer sich beschwert hatte, den Boden berührte.
»Einer erledigt«, murmelte er ins Com, und Babcock folgte ihm ins Chalet.
»Jetzt sind’s zwo«, sagte jemand anderes auf der gleichen Frequenz.
»Drei«, verbesserte eine zweite Stimme, gefolgt von einer ruhigen dritten: »Vier.«
Tremaine folgte Babcock in die holzgetäfelte Diele, während Harkness den Schluß machte. Die anderen befanden sich nun ebenfalls drinnen, rückten rasch, effizient und verstohlen vor und schalteten die Bewohner des Chalets aus, sobald sie auf sie trafen. Die Sache läuft ja ganz gut , überlegte Harkness, dann hörte er jemanden hinter sich.
»Was zum …«
Harkness fuhr herum. Ein massiger, übermäßig muskulöser Kerl stierte ihn an und griff verwirrt, aber reflexartig nach dem Pulser im Schulterhalfter. Der Chief verbiß sich einen Fluch. Der Mistkerl war ihm zu nahe, als daß er die Mündung des Betäubergewehrs auf ihn richten konnte; also
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