Mit Schimpf und Schande
Möglicherweise hatten sie einfach Angst, sie zu behelligen, nachdem sie sie in Aktion erlebt hatten.
Ihr Händedruck war fest, aber als er in ihr Gesicht blickte, durchfuhr ihn ein Stich der Sorge. Das lachende Entzücken des Abendessens bei Cosmo’s war mit Paul Tankersley gestorben, und selbst dem ‘Kater auf ihrer Schulter ließen sich Anspannung und mühsame Zurückhaltung deutlich anmerken. Honor Harrington wirkte weder gebrochen noch besiegt, doch unter der Oberfläche war Kälte zu spüren und dazu etwas, auf das Neufsteiler nicht eindeutig den Finger legen konnte: ein fremdartiger, elektrischer Schauder, der sich jeder Identifikation entzog. Es war nicht seine Schuld, das er ihn nicht einordnen konnte, denn er hatte niemals mit Captain Harrington auf dem Kommandodeck gestanden, wenn sie das Schiff ins Gefecht führte.
Er führte die Neuankömmlinge in einen Lift und gab den Zielort ein.
»Ein wunderbarer Tag«, merkte er an und wies mit der Hand auf die im Sonnenlicht golden glänzende Stadt hinter der durchsichtigen Wand des Liftes, der an der Außenseite des Turmes nach unten raste. »Deshalb dachte ich, wir gehen zu Regiano’s, wenn Ihnen das recht ist, Dame Honor. Ich habe eine Scheibe reserviert, auf der wir unter uns sind.«
Honor blickte ihn an. Er erwiderte ihren Blick mit der halb verborgenen Besorgnis, die sie in den Gesichtern ringsum zu sehen mittlerweile gewohnt war. Seine Bemühung um leichthin gesprochene Worte war geradezu angestrengt. Wenn ihre Freunde doch nur aufhören würden, sich Sorgen zu machen! Sie konnten nichts ändern, und ihre Besorgnis war nur eine weitere Bürde, die abzuschütteln es Honor verlangte, doch sie rang sich trotz allem ein Lächeln ab.
»Das klingt sehr gut, Willard«, sagte sie.
»Bitte entschuldigen Sie, Mylady, aber das gefährdet Ihre Sicherheit.« Als der Anführer von Dame Honors Leibwache mit weichem, fremdartigen Akzent protestierte, stutzte Neufsteiler erstaunt. »Wir hatten keine Zeit, das Restaurant zu überprüfen.«
»Ich glaube, damit können wir leben, Andrew.«
»Mylady, Sie haben diesen North Hollow gewarnt, daß Sie ihm nachstellen würden.« In Major LaFollets Stimme schwang eine gewisse Sturheit mit. »Wenn Ihnen jedoch etwas zustieße, würde das seine Probleme rasch beseitigen.«
Neufsteiler blinzelte ungläubig. Sagte dieser Mann da gerade, was er zu hören glaubte?
»Der Gedanke ist mir auch schon gekommen«, räumte Honor ruhig ein, »aber ich beabsichtige nicht, mich vor Schatten zu fürchten. Außerdem weiß niemand, daß wir dorthin unterwegs sind. Selbst die Medienfritzen haben uns diesmal nicht behelligt.«
»Der Umstand, daß wir glauben , niemand wüßte, wohin wir unterwegs sind, bedeutet noch keinesfalls, daß es so ist, Mylady. Und Sie sind nun nicht gerade die unscheinbarste Prominente von Manticore. Wenn man Sie sieht, dann erkennt man Sie auch. Bitte, ich würde mich wirklich viel besser fühlen, wenn Sie sich an den ursprünglichen Plan hielten und die Unterredung mit Mr. Neufsteiler in seinem Büro stattfinden würde.«
»Dame Honor, wenn Sie auch denken, es wäre besser …«, begann Neufsteiler, doch Honor schüttelte den Kopf.
»Es wäre wohl sicherer , aber das macht es nicht notwendigerweise besser.« Sie berührte den Chefleibwächter lächelnd an der Schulter. »Major LaFollet ist fest entschlossen, dafür zu sorgen, daß ich am Leben bleibe.« Der Unterton von Zuneigung in Honors Stimme überraschte Neufsteiler, und noch während er hinsah, schüttelte sie den Grayson leicht. »Wir arbeiten noch aus, wie weit sein Vetorecht wirklich geht – nicht wahr, Andrew?«
»Ich bitte nicht um Vetorecht, Mylady, nur um ein wenig gesunde Vorsicht.«
»Die ich Ihnen auch zugestehe – innerhalb gewisser Grenzen.« Honor ließ LaFollets Schulter wieder los, ihr Lächeln aber blieb bestehen. Nimitz hob die Ohren, drehte den Kopf und betrachtete den Major mit hellen grünen Augen. Durch die Verbindung mit dem ‘Kater spürte Honor die von Frustration gesprenkelte Besorgnis des Graysons um sie. »Ich weiß, Andrew, für Sie bedeute ich eine Prüfung, aber ich habe mein ganzes Leben verbracht, indem ich ohne Leibwache dorthin ging, wohin ich gehen wollte. Ich bin zwar zu dem Zugeständnis bereit, daß es so nicht mehr funktioniert, aber die Vorkehrungen, auf die ich mich einlasse, müssen sich einfach an gewisse Grenzen halten.«
LaFollet öffnete den Mund, dann zögerte er; augenscheinlich wog er seine Worte
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