Mit Schimpf und Schande
unwahrscheinlich, daß White Haven ihm einen Höflichkeitsbesuch abstattete.
»Vielen Dank, daß Sie mich so kurzfristig empfangen, Sir«, sagte White Haven. Caparelli antwortete achselzuckend:
»Sie sind der stellvertretende Befehlshaber der Homefleet, Admiral. Wenn Sie mich zu sprechen wünschen, dann gehe ich davon aus, daß dazu ein Grund besteht. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich fürchte, die Angelegenheit ist ein wenig kompliziert.« White Haven fuhr sich mit der Hand durch das dunkle, von weißen Strähnen durchzogene Haar. Caparelli blinzelte. Was er an White Haven wohl am meisten verabscheute, war dessen unerschütterliches (und verdammt noch eins, meist auch gerechtfertigtes) Selbstvertrauen. Unsicherheit oder Nervosität war Caparelli von dem Earl nicht gewöhnt. Ärger, ja, und manchmal beißenden Sarkasmus gegenüber langsameren Denkern, aber Nervosität? Der Erste Raumlord schwang sich zu schweigen und mit höflich-interessierter Miene abzuwarten, und White Haven seufzte auf.
»Es geht um Lady Harrington«, sagte er, und innerlich nickte Caparelli zufrieden, denn er hatte die Wette gewonnen.
»Ich vermute«, antwortete er bedächtig, »in Wirklichkeit meinen Sie, es gehe um Lady Harrington und Pavel Young.«
»Da nehmen Sie richtig an.« White Haven bemerkte endlich, daß er sich noch immer durchs Haar fuhr, und hörte mit einem säuerlichen Verziehen der Lippen damit auf. »Ich habe versucht, sie zur Vernunft zu bringen, als mir klar wurde, was sie … – Nein.« Er schüttelte in verbittertem Selbstvorwurf, wie Caparelli es bei ihm noch nie erlebt hatte, den Kopf. »Ich habe nicht versucht, sie zur Vernunft zu bringen, ich habe sie belehrt. Um genau zu sein«, er sah dem Ersten Raumlord in die Augen, »befahl ich ihr, Young nicht zu fordern.«
»Sie haben einem Offizier befohlen , einen Zivilisten nicht zum Duell zu fordern?« Caparelli vermochte seine Augenbrauen nicht daran zu hindern, sich zu wölben, und nun zuckte White Haven mit den Schultern. Er wirkte ärgerlich – ärgerlich auf sich selbst, nicht auf einen anderen oder darüber, daß er ausgerechnet vor jemandem beichten mußte, der nie sein Freund gewesen war.
»Ja«, grummelte er und schlug sanft auf die Armlehne. »Wenn ich in dem Moment auch nur ein Quentchen gesunden Menschenverstand gehabt hätte, dann hätte ich bemerkt, daß ich damit nur …« Er brach ab und schüttelte erneut unwillig den Kopf. »Ich weiß, daß ich damit meine Kompetenzen überschritten habe, aber ich konnte nicht einfach dabeistehen und zusehen, wie sie sich die Karriere ruiniert. Und Sie wissen genauso gut wie ich, daß exakt das passieren wird, wenn sie ihn umbringt.« Caparelli nickte und wünschte, er könnte etwas einwenden. Es sah White Haven ähnlich zu versuchen, Harrington durch einen Befehl dazu zu bewegen, daß sie Young in Ruhe ließ. In diesem Fall allerdings fand sich der Erste Raumlord widerstrebend in Übereinstimmung mit White Havens Einschätzung der Konsequenzen. Und obwohl er dazu neigte, einem Protegé White Havens gegenüber allein aus grundlegenden Prinzipien voreingenommen zu sein, war der Gedanke, einen Offizier von Harringtons Format zu verlieren, doch außerordentlich bedrückend.
»Na, geklappt hat es jedenfalls nicht«, gab White Haven zu, »und die Art und Weise, in der ich’s versucht habe, bedeutet leider auch, daß ich nicht zu ihr zurückgehen und sie überzeugen kann, vernünftig zu werden.«
»Wobei Sie davon ausgehen, daß es von Harringtons Standpunkt aus ›vernünftig‹ wäre«, entgegnete Caparelli. White Haven sah ruckartig zu ihm auf, und der Erste Raumlord hob die Schultern. »Ich habe gehört, wessen sie Young bezichtigt. Angenommen, die Vorwürfe sind gerechtfertigt – und davon gehe ich eigentlich aus –, würde ich an ihrer Stelle genau das gleiche wollen. Sie etwa nicht?« White Haven wandte den Blick ab. Er sagte kein Wort, aber sein Schweigen war beredt genug, und Caparelli runzelte die Stirn. Für ihn sah es ganz danach aus, als wollte White Haven sich einreden, er würde an Harringtons Stelle anders handeln – und Selbsttäuschung war einfach nicht seine Stärke.
»Auf jeden Fall«, sagte der Erste Raumlord, bevor die Stille zu unbehaglich werden konnte, »sind Sie wohl zu mir in der Hoffnung gekommen, ich könnte etwas unternehmen?« White Haven nickte unwillig, als haßte er es, um Hilfe zu bitten. Caparelli seufzte. »Ich fühle mit Ihnen, Mylord, und ich will sie ebenfalls nicht
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