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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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North Hollow versuchte, in dem segnungsvollen Schweigen ihrer durchdringenden Stimme ein wenig Behagen zu finden, dann blickte er auf das riesige Uhrzeitdisplay über dem Pult des Sprechers. Noch drei Stunden, dann könnte er gehen. Bei dem Gedanken verzog er wieder den Mund. Gehen. Wohin denn? Die anderen Lords konnten sich in ihre Clubs begeben, Restaurants oder das Theater besuchen. Auf sie wartete keine Wahnsinnige und wollte sie töten. Aber der Earl von North Hollow konnte nur in seine Limousine huschen, nach Hause rasen und sich dort verstecken wie immer …
    Er schreckte erst aus seinen Gedanken auf, als die Türen des Hauses geöffnet wurden. Dort schien es Aufregung zu geben, und stirnrunzelnd setzte er sich so, daß er hinüberblicken konnte. Jemand sprach auf den Sergeant-At-Arms, den Ordnungsbeamten des Parlamentes, ein – jemand, der die förmliche, rot bestickte schwarze Robe über dem scharlachroten und goldenen Habit eines Ritterordens trug. Der Sergeant war, der Art seines Kopfschüttelns nach zu urteilen, verunsichert; der Neuankömmling machte eine Geste, er bestehe auf seiner Forderung, und der Sergeant deutete auf den Sprecher.
    Der ungewöhnliche, stumme Tumult weckte trotz seiner Frustration und Angst North Hollows Interesse. Niemand im Haus trug förmliche Robe, denn für heute war nur eine gewöhnliche Arbeitssitzung anberaumt. Den vollen Fummel kramte man nur für feierliche Anlässe heraus – wie einer Ansprache des Throns oder der Jungfernrede eines neuen Peers. North Hollow erinnerte sich nicht, neue Namen auf dem Plan gesehen zu haben.
    Er rief auf dem Terminal in seinem verzierten Pult die Tagesordnung auf, aber auch sie bot keine Hinweise. Und nun strebte bereits der Sprecher selbst zur Tür.
    North Hollow runzelte die Stirn, aber wenigstens bedeutete die Unterbrechung eine Ablenkung, und die hatte er bitter nötig. Er sah, wie der Sprecher sich dem Neuankömmling näherte und wie angewurzelt stehenblieb; dann fuhr er mit einer raschen, hektischen Bewegung seiner Arme zu dem Sergeant herum. Der Ordnungsbeamte breitete die Arme aus und stritt somit beharrlich jegliche Verantwortung ab. North Hollow lachte leise über die Komödie, die sich dort vor seinen Augen abspielte. Der Sprecher baute sich vor dem Unbekannten auf und schüttelte unnachgiebig den Kopf, stellte dann jedoch die Kopfbewegung ein, statt dessen verschränkte er die Arme, legte das Haupt schräg und hörte offenbar aufmerksam zu. Schließlich nickte er langsam und augenscheinlich widerwillig. Der Unbekannte fügte etwas hinzu, und der Sprecher nickte erneut; der Neuankömmling brachte ein weiteres Argument vor, und der Sprecher warf empört die Arme hoch.
    Im Flüsterton geführte Gespräche erhoben sich im Plenum; einige Peers standen auf und gingen zur Tür. Die ersten von ihnen blieben ebenso abrupt stehen wie zuvor der Sprecher, dann wandten sie sich aufgeregt gestikulierend zu den Nachfolgenden um und sprachen auf sie ein. Einige warfen den Kollegen, die noch saßen, Blicke zu. North Hollow hatte jeden engen Kontakt zu seinen Kollegen vermieden, seit Harrington ihre Bezichtigungen vorbrachte, aber nun regte sich auch seine Neugier. Er richtete sich von seinem Sessel auf, blieb aber an seinem Platz stehen, als der Sprecher aus der Menschenansammlung hervortrat und zu seinem Tisch zurückkehrte, stocksteif vor Wut oder Empörung.
    North Hollow ließ sich niedersinken, als die Meute an der Tür sich zu zerstreuen begann. Mit einer affektierten, ärgerlichen Geste setzte sich der Sprecher hinter seinen Tisch, griff nach seinem Hammer und rief mit lauten Schlägen zur Ordnung. Die scharfen Laute hallten mißtönend durch den Plenarsaal. Der Sprecher beugte sich zu seinem Mikrofon vor.
    »Mylords und Myladys, bitte setzen Sie sich«, dröhnte seine Stimme. Diesen Ton hatte North Hollow von dem Sprecher noch nie gehört. Wieder fuhr der Hammer nieder, diesmal so fest, daß der Stiel brach und der Kopf scheppernd gegen das Mikrofon geschleudert wurde. »Mylords und Myladys, bitte setzen Sie sich!« wiederholte der Sprecher noch lauter, und der Klang seiner Stimme scheuchte die Peers wie verängstigte Vögel auf ihre Plätze zurück. Das Murmeln der Gespräche erstarb, und der Sprecher sah sich im Plenum um. Er wartete, bis völlige Stille eingetreten war, bevor er sich räusperte.
    »Mylords und Myladys, ich bitte um Ihre Nachsicht«, sagte er rauh und klang überhaupt nicht, als bitte er um irgend etwas auch nur

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