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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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doch nichts an den Tatsachen!«
    »Was er wußte oder nicht wissen konnte, ist die Tatsache in diesem Fall, Sir!« wandte Simengaard scharf ein.
    »Machen Sie sich nicht lächerlich, Captain!« Zum ersten Mal ergriff Lemaitre das Wort, und ihre dunklen Augen blitzten. »Sie können einen Offizier nicht verurteilen, der sich im Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegte, weil ein anderer Offizier ihm wesentliche Informationen vorenthielt. Captain Harrington war verpflichtet, die Kommandogewalt in dem Augenblick weiterzugeben, in dem ihr Admiral Sarnows Verwundung gemeldet wurde. Der Umstand, daß sie es nicht getan hat, macht sie zur Schuldigen, nicht ihn!«
    »Und an wen, bitte schön, hätte sie das Kommando denn weitergeben sollen, Commodore?« fragte Kuzak. »Der nächste überlebende Offizier in der Befehlskette war Captain Rubenstein, der eidesstattlich versicherte, daß seine Signalanlagen so schwer beschädigt waren, daß er von seinem Schiff aus die taktische Kontrolle nicht hätte übernehmen können.«
    »Dann hätte Harrington die Befehlsgewalt an Captain Trinh weitergeben müssen«, schoß Lemaitre zurück. »Die Signaleinrichtungen der Intolerant waren nämlich unbeschädigt, und er stand in der Befehlskette unter Captain Rubenstein.«
    »Die Intolerant lag unter schweren Beschuß, wie alle Schiffe der Kampfgruppe«, antwortete Kuzak mit kalter, leidenschaftsloser Stimme. »Die taktische Situation war so nahe an verzweifelt, wie ich je gehört habe. Jede Verwirrung über die Kommandostruktur hätte in diesem Moment eine Katastrophe auslösen können, und Dame Honor konnte nicht wissen, wie weit Trinh die aktuelle Lage bekannt war. Unter den gegebenen Umständen tat sie das einzig Richtige: Sie vermied das Risiko, die Kommandostruktur der Kampfgruppe in diesem Moment durcheinanderzubringen. Und noch mehr, ihre Führung lockte den Feind direkt in die Arme von Admiral Danislavs Entsatzstreitmacht und ließ dreiundvierzig Feindschiffen keine andere Wahl, als sich zu ergeben. Captain Youngs Verhalten andererseits spricht Bände darüber, was er an ihrer Stelle getan hätte.« Kuzak kräuselte verächtlich die Oberlippe, und sowohl Lemaitre als auch Jürgens liefen rot an. Auf Jürgens’ bleichem, sommersprossigem Teint zeigte es sich deutlicher, aber das Gesicht des Commodore war dunkler denn je.
    »Selbst wenn Captain Harrington der Inbegriff aller militärischen Tugenden wäre – wobei ich nicht zustimmen würde, Ma’am –, hat sie sich dennoch eine Kommandogewalt angemaßt, die ihr nicht zustand.« Lemaitre stieß jedes einzelne Wort mit wütender Präzision hervor. »Legal – legal , Ma’am, war Lord Young nicht gehalten, diese Kommandogewalt zu akzeptieren, ganz besonders deshalb nicht, weil er ihr Vorgesetzter war. Die Details der taktischen Situation beeinflussen den rechtlichen Zusammenhang überhaupt nicht.«
    »Ich verstehe.« Kuzak sah ihre Kontrahentin einen Augenblick lang ausdruckslos an, dann lächelte sie dünn. »Beantworten Sie mir eine Frage, Commodore Lemaitre – wann haben Sie das letzte Mal taktische Kontrolle in einer Gefechtssituation geübt?«
    Nun erbleichte Lemaitre. Sie öffnete den Mund zu einer Entgegnung, aber in diesem Augenblick knallten White Havens Knöchel hart auf die Tischplatte, und die Disputanten fuhren zu ihm herum. Sein Gesicht war hart.
    »Gestatten Sie mir, Ladys und Gentlemen, darauf hinzuweisen, daß Lady Harringtons Verhalten von allerhöchster Stelle gebilligt worden ist. Sie ist nicht, wurde nicht und wird auch nicht irgendwelcher Missetaten angeklagt.«
    Seine tiefe, wohlakzentuierte Stimme war ebenso hart wie sein Gesichtsausdruck. Lemaitre biß die Zähne zusammen und sah weg. Jürgens schnaubte verächtlich, nur Sonja Hemphill saß in puppenhaftem Schweigen da.
    »Nachdem dies noch einmal betont wurde«, fuhr White Haven fort, »darf dieses Gericht selbstverständlich erwägen, welche Auswirkungen ihr Verhalten auf Lord Young gehabt hat. Da diese Begleitumstände in dieser Form nie zuvor aufgetreten sind, steht uns wie schon anderen Kriegsgerichten bevor, einen Präzedenzfall zu schaffen. Die Einführung durch die Judge Advocate General macht unmißverständlich klar, daß die Frage, wie ein Offizier eine Situation eingeschätzt hat, eine akzeptable Grundlage für die Beurteilung seiner Führung darstellt. Zugegeben ist dies ein Maßstab, der normalerweise von der Verteidigung und nicht der Anklage angewandt wird, aber das bedeutet nicht, daß nur die

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