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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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ihr saß. Sie spürte, daß seine Besorgnis um so weiter anwuchs, je länger sich die schier endlosen Stunden dehnten. Seine Beunruhigung vergrößerte nur ihre eigene, aber sie war ihm dankbar, daß er sie in Frieden ließ und ihr nicht, wie manch einer es getan hätte, wohlmeinend Trost zu spenden versuchte. Das Ganze dauerte einfach zu lange. Von dem Augenblick an, als sie erfahren hatte, wer im Gericht saß, fürchtete sie nur ein Ding, und jedes Ticken der Uhr vergrößerte diese Angst. Die Erinnerung an die Worte der Königin, an die Warnung vor den politischen Rücksichten, mit denen sie rechnen mußte, brannte wie Säure in einer offenen Wunde. Wenn das Gericht durch Gleichstand kein Urteil fällen kann, wäre es noch schlimmer als ein Freispruch , dachte sie und fühlte sich erbärmlich. Dann würde Young wieder davonkommen und könnte sich noch höhnisch mit dem Einfluß seiner Familie brüsten, und Honor wußte nicht, ob sie das ertragen konnte.
     
    White Haven dachte, daß der Konferenzraum zwar nicht wirklich nach Schweiß und abgestandenem Haß stank, aber er hatte den Eindruck, als hätte die Klimaanlage es aufgegeben, die Luft reinigen zu wollen. Das konnte der Earl ihr noch nicht einmal verdenken. Die Heftigkeit der letzten Stunden reichte wohl mehr als aus, um jedes unbelebte Objekt zu überwältigen, das das Pech hatte, ihr ausgesetzt zu werden.
    Er lehnte sich zurück; seine Uniformjacke hing mittlerweile über der Stuhllehne. Er rieb sich die schmerzenden Augen und versuchte, seine Niedergeschlagenheit zu verbergen, als die Debatte erneut in ein Loch des verstockten Schweigens fiel. Nicht, daß die Bezeichnung ›Debatte‹ mit ihrer impliziten Voraussetzung von Diskussion und durchdachter Argumentation das richtige Wort gewesen wäre für das, was sich ihm hier bot. Kein einziges Zeichen sprach dafür, daß irgendeiner der Angehörigen des Gerichts auch nur den Bruchteil eines Millimeters nachgeben würde – ihn selbst eingeschlossen, wie er müde eingestehen mußte. Seine Position als Vorsitzender des Gerichts vor Augen, hatte er Kuzak und Simengaard die Schlacht gegen Jürgens und Lemaitre schlagen lassen. Sonja Hemphill hatte sogar noch weniger gesagt als er selbst – um genau zu sein, hatte sie trotz ihres hohen Ranges so gut wie gar nicht gesprochen. Was die beiden anderen jedoch mehr als nur ausgeglichen hatten, und sie hatte stets genau wie Lemaitre und Jürgens abgestimmt. Neunmal hatten sie nun über die Anklagepunkte abgestimmt, ohne daß sich irgend etwas geändert hätte, und dumpfer, durchdringender Kopfschmerz pochte White Haven in den Schläfen.
    »Hören Sie«, sagte er schließlich, »wir streiten uns nun schon seit Stunden, und niemand ist auf das Beweismaterial und die Zeugenaussagen auch nur eingegangen.« Trotz aller Bemühung, Energie in seine Worte zu legen, klang seine Stimme so müde, wie er sich fühlte. »Stellt jemand die Tatsachen, wie sie von der Anklage vorgelegt wurden, in Frage?«
    Niemand antwortete, und White Haven ließ seufzend die Hand sinken.
    »Dacht’ ich’s mir doch. Das bedeutet, wir sind nicht deswegen, was Lord Young getan oder nicht getan hat, am toten Punkt angelangt, und auch nicht darüber, was Lady Harrington getan oder nicht getan hat, sondern über die Parameter, die wir für unsere Entscheidung anlegen. Wir haben uns keinen Millimeter bewegt.«
    »Und ich glaube nicht, daß es sich ändern wird – Sir.« Jürgens hatte sich heiser geredet, aber er begegnete aufsässig White Havens Blick. »Ich bin davon überzeugt, und lasse mich von dieser Überzeugung nicht abbringen, daß Lord Young sich im Rahmen der Kriegsartikel korrekt verhalten hat, und das führt diesen ganzen Vorgang ad absurdum.«
    »Dem stimme ich zu«, sagte Commodore Lemaitre. Kuzak und Simengaard schauten drein, als stünden sie kurz davor, einen Mord oder auch zwei zu begehen, aber bevor einer von ihnen etwas sagen konnte, hob White Haven die Hand.
    »Das sei dahingestellt, Admiral Jürgens«, sagte er, »aber ich bezweifle stark, daß ein Gericht in anderer Zusammenstellung Ihre Anschauung teilen wird. Wenn wir wegen Gleichstand kein Urteil fällen können, wird die Admiralität keine andere Wahl haben, als ein weiteres Gericht einzuberufen – eins, das mit fast völliger Sicherheit Lord Young verurteilen wird.«
    »Um es mit Ihren Worten zu sagen, Sir, das sei dahingestellt«, entgegnete Jurgerts. »Ich kann bei der Abstimmung nur meinem Gewissen folgen und nur auf der

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