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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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marschierte zielstrebig hinter den Schreibtisch. Dort setzte er sich in den teuren neuen Sessel, mit dem er den Lebenserhaltungsstuhl seines Vaters ersetzt hatte, und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er ruhiger, »lassen Sie es zunächst, wie es ist.«
    Osmond nickte mit nach wie vor verbindlicher Miene. Dem neu ernannten Earl von North Hollow konnte man die Anspannung, unter der er litt, kaum verdenken, aber an ihm war etwas Gefährliches. Das Funkeln in seinen Augen war zu hell, der Blick zu starr, bevor er ihn auf die Datenkonsole senkte.
    »Das wäre alles, Osmond«, sagte North Hollow schließlich, die Augen noch immer auf die Konsole gerichtet. Der andere Mann zog sich geräuschlos zurück. Kaum hatte sich hinter ihm flüsternd die Tür geschlossen, sackte North Hollow in seinem Sessel zusammen und barg das Gesicht in seinen Händen.
    Der Spiegel hatte es alles zurückgebracht – schon wieder.
    Fünf Tage.
    Fünf furchtbare Tage und fünf noch schlimmere Nächte waren vergangen, seitdem die Navy seine Entehrung komplett gemacht hatte. Er schloß die Augen, und einmal mehr spielte sich die Szene vor dem blutroten Schleier der Lider ab. Nichts konnte er tun, um es aufzuhalten. Tatsächlich wußte er nicht einmal, ob er überhaupt wollte , daß es aufhörte, denn so schmerzhaft es auch war, es nährte den Haß, aus dem allein er die Kraft schöpfte, die er zum Weitermachen brauchte.
    Einmal mehr sah er das steinerne Gesicht des Admirals, dessen Augen die Abscheu hinausschrien, die seine vorschriftsgemäße Miene zu verschweigen suchte, und hörte, wie er das Urteil des Kriegsgerichts laut vorlas. Wieder erblickte er die stumm zuschauenden Reihen in Schwarz und Gold, während die Schnauzen von HD-Kameras gnadenlos von Aussichtspunkten und auf der Stelle schwebenden Flugwagen hinunterstarrten. Er sah den Lieutenant Junior Grade auf sich zumarschieren, die sachlichen, unpersönlichen Bewegungen der behandschuhten Finger durch die Verachtung in seinen Augen Lügen gestraft, während er ihm die goldenen Planeten eines Captain of the List vom Kragen und dann die Streifen von den Ärmeln des Ausgehanzugs riß. Die Uniform war eigens für diesen Anlaß vorbereitet worden; die goldenen Streifen hingen von nur wenigen Nadelstichen gehalten an den Annein, und der Zwirn zerriß mit einem Geräusch, das in der furchtbaren Stille schrecklich deutlich erklang. Dann folgten die Ordensbänder auf seiner Brust, die Schulterstücke, das Verbandsabzeichen mit dem Namen seines letzten Schiffes und schließlich das golden und scharlachrote Navyabzeichen von der rechten Schulter. Am liebsten hätte er sie alle angeschrien, auf ihre albernen Ehrvorstellungen gespuckt und ihnen das Recht abgesprochen, über ihn zu richten. Aber das vermochte er nicht. Der Schock und die Scham hatten ihn zu tief getroffen, der betäubte Schrecken lähmte ihn, und so stand er nur steif in Habt-acht-Stellung und war zu anderem nicht fähig, als der Lieutenant ihm das Barett vom Kopf nahm, das weiße Barett der Sternenschiffkommandanten mit dem Wappen des Königreichs. Die behandschuhten Finger rissen die Dienstmarke ab und setzten ihm das Barett wieder auf den Kopf, mit einer geringschätzigen Verachtung, als wäre er ein Kind, das sich nicht einmal selbst anziehen konnte – und noch immer stand er in Habt-acht.
    Doch dann kam sein Degen an die Reihe, und er geriet ganz leicht ins Schwanken. Er schloß die Augen, konnte nicht zusehen, wie der Lieutenant den Degen, die Spitze auf den Boden gestützt, in einem Winkel von 45 Grad festhielt und einen gestiefelten Fuß hob. Sehen konnte er es nicht, aber er hörte, wie der Fuß herniederfuhr, und das furchtbare, spröde Geräusch, mit dem der Stahl zerbrach.
    Kein Offizier der Königin mehr, stand er vor ihnen, stand vor ihnen in dem lächerlichen schwarzen Anzug, der aller Pracht beraubt war, aller Ehrenabzeichen, und der Wind zerrte an den Fetzen aus Gold und Bändern, die ihm so viel mehr bedeutet hatten, als er je geahnt, bevor er sie verlor. Der Wind trieb sie über den gepflegten Rasen davon. Zu seinen Füßen aber lagen die Hälften seines zerbrochenen Degens und glänzten im strahlenden Sonnenlicht.
    »Abteilung – kehrt!« Der Admiral hatte den Befehl hervorgestoßen, aber ihn betraf er nicht mehr. Gegen den eigenen Willen öffnete er wieder die Augen. Fast schien es, als sei eine Kraft außerhalb seiner Kontrolle fest entschlossen, dafür zu sorgen, daß ihm die letzte Beschämung nicht entging,

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