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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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lag genau im Zentrumskern von HMSS Hephaistos , aber die Designer hatten sich große Mühe gegeben, den Anschein zu erwecken, man befände sich nicht in einer Raumstation, sondern am Boden. Gegen das Vorhandensein der gesetzlich vorgeschriebenen Farbkennzeichnungen der Lebensrettungssysteme und anderer Zugangs- und Dienstpunkte für den Katastrophenfall hatten sie nichts tun können, aber ganz tief in die Tasche gegriffen, um die Errichtung doppelt hoher Abteilungen genehmigt zu bekommen. Die zusätzliche Deckenhöhe war dazu verwendet worden, Zwischendecken einzuziehen, hinter denen die Schlangennester aus Rohrleitungen und Energieüberträgern verborgen wurden, welche überall sonst die Decken zierten. Hinter ›Flügelfenstern‹ verbargen sich hochmoderne Hologrammprojektoren und zeigten darin täglich wechselnde Planetenlandschaften.
    Es war an einem Montag, und daher ›befand‹ die Bar sich auf Sphinx. Der kalte, blaue Herbsthimmel wölbte sich über den Türmen von Yawata Crossing, der zweitgrößten Stadt des Planeten, und durch die scheinbar offenen Fenster drangen Verkehrsgeräusche und Wortfetzen von den vorübergehenden Passanten herein, zusammen mit kühlen Brisen, die kunstvoll nach Bäumen und Straßencafés rochen. Und die Holos im Dempsey’s wiederholten sich nie. Im Gegensatz zu den Einrichtungen, die weniger scharfsichtige Eigentümer benutzt hätten, wurde das Panorama von anderen Restaurants der Kette auf Manticore, Sphinx und Gryphon übertragen, so daß immer bestimmte Orte gezeigt wurden, die Szenen aber vollkommene Spontanität aufwiesen. Die Gäste konnten stundenlang dasitzen und die Zeit damit verbringen, sich die Szenen vom Leben am Boden anzusehen – und viele taten es auch. Sphinx und Manticore waren darüber hinaus so nahe, daß die Übertragungen in beinahe Echtzeit abliefen.
    Doch so schön sie auch sein mochten, die Hintergrundholos konnten die nahezu fanatische Anhängerschaft der Stammgäste im Dempsey’s von Hephaistos doch nur zum geringen Teil erklären, denn Manticore war kaum zwanzig Shuttle-Minuten entfernt. Für mehr als eine Person erforderte diese zwanzigminütige Reise jedoch eine Koordination von Dienstplänen, die sich oft schwierig und regelmäßig noch schlimmer gestaltete. Ein spontaner Ausflug zum Boden in Begleitung der oder des Geliebten oder einiger guter Freunde war so gut wie unmöglich – außer bei Dempsey’s, wo man den Boden heraufbrachte .
    Colonel Tomas Santiago Ramirez entdeckte, daß sein Glas leer war, unterbrach seine Unterhaltung mit Paul Tankersley und hob die Hand, um den Kellner auf sich aufmerksam zu machen. Unter seiner Bewegung knirschte sein Stuhl, und er kommentierte den Protest mit einem ironischen Grinsen. Solche Belastungsgeräusche war er gewöhnt; man konnte kaum das Möbelstück dafür verantwortlich machen, denn bei dessen Design war kaum an ihn gedacht worden.
    Tankersley bemerkte Ramirez’ Grimasse und verbarg ein beipflichtendes Lächeln. Der Colonel und er hatten sich von Anfang an sympathisch gefunden, und die lockere Bekanntschaft hatte sich rasch in Freundschaft gewandelt. Ramirez war ein unersättlicher Leser und ein Mann vielseitiger Interessen mit einem trockenen, zurückhaltenden Humor, den zu verbergen er sich große Mühe gab. Seine Barrieren neigten dazu, zu fallen, wenn er jemanden erst einmal näher kannte, und er und Tankersley ergingen sich oft in ausschweifenden, von gutem Bier genährten Gesprächen. Ramirez’ Emigrantenherkunft verlieh ihm eine andere, oft leicht provokante Sicht auf Dinge, die gebürtige Manticoraner als gegeben hinnahmen, und Tankersley genoß ihre Diskussionen sehr. Daß der Colonel Honor treu ergeben war, hatte der Sache sehr geholfen, doch Tankersley vermutete, daß sie ohnedies zu guten Freunden geworden wären.
    Ramirez war in der Tat so hart, wie sein Körperbau vermuten ließ, und doch einer der freundlichsten Männer, die Tankersley je kennengelernt hatte – es sei denn, es betraf die Volksrepublik Haven. Niemand hätte den Colonel je als weich bezeichnen können, aber fast schien es, als sei all seine Feindseligkeit destilliert und auf ein einziges Ziel abgestellt worden: die Vernichtung der Volksrepublik und all ihres Schaffens. Vielleicht wäre es nicht ganz gerecht gewesen, seinen Haß auf die Haveniten als obsessiv zu bezeichnen, aber nur knapp.
    Seine Stellvertreterin besaß eine ganz andere Persönlichkeit. Susan Hibson teilte die unversöhnliche Rachsucht ihres

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