Mit sich selbst befreundet sein
könnte:1. Das Zufallsglück: Das deutsche Wort »Glück« rührt vom althochdeutschen gelücke her, das ein Schicksal bezeichnet, das so oder auch anders ausfallen kann. Im Griechischen war die Zufälligkeit dieses Glücks einst týchē , im Lateinischen fortuna , erhalten als fortune , französisch oder englisch ausgesprochen, im Laufe der Zeit jedoch immer mehr mit dem günstigen Zufall und der erwünschten Fügung in Verbindung gebracht: Jemandem »Glück« zu wünschen, ist meist mit einer solchen Hoffnung verbunden. Offen ist die Frage und wird es wohl auch bleiben, ob glückliche oder unglückliche Zufälle »Sinn haben«, ob sie einer Vorsehung oder Vorherbestimmung folgen. Immerhin weisen sie erstaunliche Regelmäßigkeiten auf, als würden sie einem »Masterplan« folgen, sowohl auf glücklicher wie auf unglücklicher Seite; den Philosophen der Lebenskunst ist das nicht verborgen geblieben und sie haben ihre Schlüsse daraus gezogen: » Die Unglückstage kennen ; denn es gibt dergleichen: an solchen geht nichts gut, und ändert sich auch das Spiel, (so) doch nicht das Missgeschick. Auf zwei Würfen muss man die Probe gemacht haben und sich zurückziehen, je nachdem man merkt, ob man seinen Tag hat oder nicht« (Gracián, Handorakel , Aphorismus 139). Dass ein, zwei Glücksfälle Eigendynamik gewinnen und weitere anziehen können; dass umgekehrt, wenn man kein Glück hat, »auch noch Pech dazukommt«, lässt auf ein Aufschaukelungsgesetz schließen, dem das Zufallsglück folgt. Wesentlich an diesem Glück ist jedenfalls seine Unverfügbarkeit; verfügbar ist lediglich die Haltung, die das Selbst einnehmen kann: Es kann sich verschließen oder öffnen dafür; im Inneren seiner selbst wie im Äußeren seiner Lebensführung kann es die Konstellation präparieren, in der ein Zufall sich verfangen kann oder von vornherein abgewiesen wird. Erforderlich für dessen Aufnahme ist die Haltung der Duldsamkeit, des Wartenkönnens, bis etwas »sich fügt«, des Hinnehmenkönnens, falls nichts sich fügt oder anders als erwartet ausfällt; vor allem aber die Haltung der Offenheit, die »Spontaneität«, verbunden mit der Aufmerksamkeit, denrechten Augenblick zu erkennen und zu ergreifen. Es scheint so, als würde die Offenheit des Selbst das quantenhafte Zufallsglück beflügeln: Gerne macht es dort Station, wo es sich gut aufgehoben fühlt und nicht noch Vorwürfe zu hören bekommt, dass es »momentan nicht passt«.
2. Das Wohlfühlglück: In moderner Zeit ist der Begriff des Glücks in wachsendem Maße über das so genannte »Positive« definiert worden: das Wohlfühlen, das Angenehme, die Lüste, die guten Empfindungen auf körperlicher und seelischer Ebene. Moderne Menschen suchen das Glück vorzugsweise in der »guten Stimmung« – kommt es zu einer »traurigen Verstimmung«, müssen sie sich von dieser lästigen Störung alsbald wieder »befreien«. Meist ohne es zu wissen, folgen sie der Definition von Utilitaristen wie Jeremy Bentham ( Einführung in die Prinzipien der Moral und der Gesetzgebung , 1789): Glück ist Maximierung von Lust und Minimierung von Schmerz. Kaum eine philosophische Auffassung hat sich je dermaßen durchgesetzt wie diese. Die moderne Spaß-und Erlebnisgesellschaft ist ohne das Streben nach Glück in diesem Sinne kaum denkbar, bis hin zu der Glückshysterie , die im beginnenden 21. Jahrhundert um sich greift, als würden die Tore des Himmelreichs gleich zugeschlagen. Nicht dass das Wohlfühlglück verwerflich wäre, es hat sehr wohl seine Zeit, es hält glückliche Augenblicke bereit, für die das Individuum sich offen halten und die es auch selbst präparieren kann: Augenblicke, um derentwillen das Leben sich lohnt und die sich nahezu jeden Tag finden lassen. Das Selbst kann die Ingredenzien dieses Glücks kennen lernen, sie selbst suchen und an ihrer Bereitstellung arbeiten, sie asketisch einüben, um sie gelegentlich ekstatisch genießen zu können. Auch Gracián weiß von der » Kunst, Glück zu haben. Es gibt Regeln für das Glück: denn für den Klugen ist nicht alles Zufall. Die Bemühung kann dem Glücke nachhelfen« ( Handorakel , Aphorismus 21). Wenn umgangssprachlich davon die Rede ist, »sein Glück zu machen«, dann ist dies damit gemeint:die Besorgung günstiger und angenehmer Lebensumstände. Man kann sich wohlfühlen aufgrund eines Gelingens, eines Erfolges, deren Vollgefühl sich steigert, wenn eine große Anstrengung vorausgegangen ist. Und doch bewahrt die philosophische
Weitere Kostenlose Bücher