Mit sich selbst befreundet sein
es ein von niemandem gewolltes oder ein einseitig gewolltes, in jedem Fall verhängnisvolles Geschehen gibt, das irreversibel wird ( tragische Zusammenhänge), auch ein letztlich unerklärliches, unauflösbares Geschehen, mit dessen Rätselhaftigkeit menschliches Sein sich zu bescheiden hat ( enigmatische Zusammenhänge).
4. Gefühlter und gedachter Sinn der Transzendenz: »Transzendenz« meint dem Wortsinn nach das Überschreiten einer Schwelle, hier die des Selbst, des Menschen und seiner Endlichkeit. Zweifellos zielt die Frage nach Sinn letztlich über intra- und intersubjektive Zusammenhänge hinaus auf transsubjektive. Dieser Sinn über das Leben hinaus ist eine Frage der gefühlten Gewissheit oder der gedachten Annahme, die aus einer Deutung und Interpretation hervorgeht. Der übergreifende Zusammenhang, der hier inden Blick kommt, ist der weitestmögliche Horizont, in den das eigene Leben eingebettet werden kann, oft mit »Spiritualität« und »Religiosität« in Verbindung gebracht, deren objektive Wahrheit jedoch nicht behauptet werden muss. In jedem Fall geht es darum, jenseits jeder Begrenztheit ins Offene hinein zu leben, mit der Fülle einer möglichen Unendlichkeit die Armut einer wirklichen Endlichkeit zu kompensieren und die Leere des Daseins mit einer metaphysischen Sinnannahme zu füllen, und sei es beim nächtlichen Staunen über die unendlichen Räume und Zeiten der Sterne. Jeder Bezug über die Endlichkeit des Eigenen hinaus kann zur Quelle eines sinnerfüllten Lebens werden, und ein Problem der modernen Freiheit besteht darin, eine Sinnstiftung durch die Dimension der Transzendenz nicht mehr für denkbar zu halten, zugleich aber die Kräfte, die in der Beziehung des Menschen zu einer Dimension über sich hinaus unerschöpflich zur Verfügung stehen, bitter zu entbehren. Kaum beantwortbare Fragen nach dem Woher und Wohin des Menschen ( anthropologische Zusammenhänge), dem Woher und Wohin der Welt ( kosmische Zusammenhänge), der Schicksalhaftigkeit ( fatalistische Zusammenhänge) und Vorherbestimmtheit ( deterministische Zusammenhänge) finden hier zumindest ihren Ort.
Unter all den Sinnzusammenhängen scheinen einige jedoch von besonderer Bedeutung zu sein: Als enorm sinnstiftend werden von Kindesbeinen an narrative Zusammenhänge erfahren: Alles macht Sinn, was sich nur erzählen lässt. Das deckt sich mit dem neurobiologischen Befund, dass das Erzählen von Geschichten eine »Obsession des Gehirns« ist (Damasio). Indem die Geschichte, die »Story«, entwickelt wird, erzeugt sie Sinn, denn sie fügt, oft in »Sinnbildern«, divergente Geschehnisse und Informationen zu Zusammenhängen, die lediglich halbwegs plausibel sein müssen, um als sinnvoll akzeptiert zu werden. Daher sind Menschen begeistert davon, Geschichten zu erzählen und sie umgekehrt auch zu hören, ohne dass gänzlich auseinander zu halten wäre, ob es sich um reale oder erfundene handelt – injedem Fall bewahren sie vor der abgründigen Erfahrung der Sinnlosigkeit. Entscheidend ist die Zusammenfügung des Auseinanderstrebenden, die Konvergenz des Divergenten, die Rettung der Schiffbrüchigen auf die Insel der Zusammenhänge im Meer ihrer Auflösung. Die zugehörige Tätigkeit der Deutung und Interpretation ist potenziell unabschließbar; stets aufs Neue steht sie offen für weitere, andere, noch nicht gesehene, unerhörte Zusammenhänge: Die hermeneutische Fülle ist Bestandteil der Fülle des Sinns. Selbst dann, wenn eine Sache, ein Geschehen, das Leben aktuell sinnlos erscheinen, kann Sinn im Nachhinein noch im Rahmen einer Erzählung, biographisch oder historisch, gefunden und zugeschrieben werden.
Von herausragender Bedeutung für die Sinngebung aber sind teleologische Zusammenhänge , mit denen das Wort »Sinn« sogar verschmelzen kann: wozu etwas gut ist, auf welches Ziel es zusteuert, welchem Zweck es dient – Fragen des Woraufhin und Wozu, Antworten des »um zu«, deren Ausbleiben das Empfinden von »Aussichtslosigkeit« erzeugt. Insbesondere in schwierigen Zeiten erweisen sich Ziel- und Zwecksetzungen als starke Sinngebungen, sei es in Form eines von außen, von anderen oder anonymen Instanzen formulierten Sollens und Müssens, Gebrauchtwerdens, »Rufens« und einer Pflicht ( deontologische Zusammenhänge); sei es in Form einer von innen, vom Selbst sich selbst auferlegten Pflicht oder eines Wollens um nahezu jeden Preis ( voluntaristische Zusammenhänge); sei es in Form eines selbst oder fremd bestimmten
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