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Mit sich selbst befreundet sein

Mit sich selbst befreundet sein

Titel: Mit sich selbst befreundet sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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Situation ist eine des Übergangs , und die kindliche Lebenskunst antwortet darauf. Ausgangspunkt ist die vollkommene Sorglosigkeit des werdenden Kindes im Mutterleib; ein erster Akt seiner Sorge, eine erste Selbstbehauptung, ist der erste Schrei, aber das Kind bleibt für einige Zeit abhängig von der Fürsorge anderer, ohne die es nicht leben könnte. Zielpunkt ist die Fähigkeit zur Übernahme der Selbstsorge : Wie immer der Weg des Heranwachsens verläuft, er läuft darauf hinaus, den Umgang mit sich selbst zu erlernen und zur Sorge für sich in der Lage zu sein, soll das eigene Leben nicht auf Dauer von der Fürsorge anderer abhängig bleiben. Nur über die Selbstsorge wird das Leben zu einem eigenen, und nur dort, wo es Selbstaneignung gibt, kann es Selbstverantwortung geben. Wie sehr Kinder das selbst im Blick habenund bewundern, lässt sich aus ihrer frühen und anhaltenden Begeisterung für Pippi Langstrumpf schließen, genauer: für Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf. Diese Romanfigur Astrid Lindgrens von 1945 ist die Inkarnation des vollkommen freien Kindes, das unbekümmert, aber in keiner Weise gleichgültig gegen sich sein Leben bewältigt, mit außerordentlichem Lebensmut selbst schwere Verletzungen des Lebens mühelos übertrumpft, sodass Pippi ihre verstorbene Mutter trösten kann: »Hab keine Angst um mich! Ich komme schon zurecht.«
    Der Übergang vollzieht sich, indem die Wahl des Lebens nachgeholt wird. Denn an der Entscheidung, ins Leben zu kommen, war das Kind zunächst – so weit sich dies wissen lässt – nicht beteiligt. Die nachgeholte Wahl fällt leicht, wenn das Kind eine Wahl der Eltern in Bezug auf sein Leben klar erkennen und für sich übernehmen kann, sich also nicht der Frage ausgesetzt fühlt: Warum bin ich überhaupt hier? Leicht fällt sie auch, wenn die Wahl der Eltern in Bezug auf deren eigenes Leben ein Beispiel gibt. Die eigene Lebenswahl wird stillschweigend getroffen mit der wachsenden Bereitschaft, sich um sich zu kümmern und dabei doch die Unbekümmertheit nicht zu verlieren, die das dynamische Zentrum der kindlichen Lebenskunst darstellt: die Selbstverständlichkeit des Eingebettetseins in die Welt, das nicht endende Staunen bei jedem Schritt in sie hinein, die Hingabe an die Erfahrungen mit ihr, die immer neue Bereitschaft zum Versuch, zum Wagnis, die große Offenheit und Neugierde, das Leben mit Widersprüchen, das Verrücktsein als Eröffnung neuer Spielräume des Denkens und Fühlens, die Unbefangenheit, nicht verstrickt zu sein in alte Geschichten, nicht eingegraben in irgendwelche Schützengräben, vielmehr in jedem Menschen, jedem Wesen einen möglichen Ansprechpartner zu sehen, immer nur zu spielen und die Gegenwart auszukosten, im jeweiligen Moment ganz und gar bei sich zu sein und alles um sich herum zu vergessen, auch einem momentan aufwallenden Impuls oderInteresse zu folgen und nicht allzu viele Gedanken an mögliche Konsequenzen zu verschwenden.
    Der Übergang von der Sorglosigkeit zur Übernahme der Selbstsorge ist geprägt von der wachsenden Bewusstheit, mit der Kinder ihr Leben selbst in die Hand nehmen, es sich aneignen und es einrichten, wie sie es für schön und bejahenswert halten. Erziehung lässt sich verstehen als Sorge, die der Selbstsorge dort, wo der Drang zu ihr erkennbar ist, Raum gibt, sie ermutigt und unterstützt; wo aber nicht, sie anreizt und anstößt. Sie ist eine Anleitung zur Freiheit , die den Freiraum gewährt, sich auszuprobieren und sich dort zu entfalten, wo die Faszination am größten ist; eine ausufernde Beliebigkeit des Verhaltens jedoch begrenzt sie, um der Freiheit lebbare Formen zu geben. Sie ist eine Heranführung an die Autonomie und zugleich ein allmählicher Rückzug, um die Arbeit daran in zunehmendem Maße in die Hände der Heranwachsenden zu legen. Die Erziehenden machen zunächst Vorgaben und nehmen sie im Laufe der Zeit wieder zurück – auch um den Preis, nicht alles gut finden zu können, was ein Heranwachsender dann denkt und tut. Entscheidend ist, unabhängig von »gesetzlichen Erfordernissen«, was Erziehende ihrem Gespür, ihrer Erfahrung und Überlegung nach für richtig halten, »nach bestem Wissen und Gewissen« – und was sie selbst leben, denn nicht die wohlfeile Proklamation , sondern allein die Exemplifikation dessen, was richtig erscheint, akzeptieren Heranwachsende als Maßstab ihres Verhaltens. Der große »Rest« kann und muss ihrer eigenen Erfahrung

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