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Mit sich selbst befreundet sein

Mit sich selbst befreundet sein

Titel: Mit sich selbst befreundet sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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sich um ein »Vorstellen« handelt und nicht unbedingt um ein wirkliches Sein, und dass diese Vorstellung ein »Muss« ist, nämlich um leben zu können.
    Keine der genannten Ebenen, Zufallsebene, Gefühlsebene, geistige Ebene, ist verzichtbar, das dritte Glück aber gilt es für die Lebenskunst in einer anderen Moderne erst wieder zu entdekken. Sowohl Zufallsglück wie auch Wohlfühlglück beruhen auf vereinzelten Erfahrungen, kleinen und größeren Episoden, sodass von einem episodischen Glück die Rede sein kann, einem Glück im engeren Sinne , wie es zufällig geschieht und sich gelegentlich zeigt, abhängig davon, dass das Selbst offen ist für diesen Moment, um für einen Augenblick wie ein Hauch »die Spuren Gottes im Garten« wahrzunehmen. Es ist ein Augenblick, von dem das Selbst sich wünschen würde, er möge verweilen, ohne doch böse sein zu dürfen darüber, dass er vergeht – denn umso lieber kehrt er wieder, und zum Bleiben zu zwingen ist er ohnehin nicht. Den Moment des Glücks festhalten zu wollen, liefe rasch auf eine Überforderung der eigenen Kräfte hinaus und wäre erfahrbar als »Stress«. Das Glück der Fülle ist demgegenüber ein anhaltendes, auch ein zurückhaltendes, das die Zeiten übergreift und von Dauer ist, ein epochales Glück , ein Glück im weiteren Sinne , möglich nur durch die Einbeziehung aller Polarität, die die Fülle des Lebens ausmacht. Aus diesem Grunde galt Glück schon in der stoischen Philosophie als eúroia bíou , als »guter Fluss des Lebens« ( flow in einer populär gewordenen Psychologie desGlücks im ausgehenden 20. Jahrhundert): nicht so sehr im Sinne des Fortfließens wie bei einem Fluss, sondern eher des Hin- und Herfließens wie bei einem Meer und seinen Gezeiten.
    Dieses Glück ist nichts Besonderes, nichts Spektakuläres; verunmöglicht wird es am ehesten dadurch, immerzu nur nach dem Besonderen und Spektakulären zu fahnden. Das Glück der Fülle erfordert nicht, dass jeder Tag die Fülle bringt; seine Fülle wird nicht nach Quantität bemessen. Seine Qualität aber ist geprägt von der Intensität der Erfahrung , und doch bedarf die Fülle dieses Glücks auch einer Erfahrung der Leere : Viele leere Tage sind gerechtfertigt für einen einzigen der Fülle, lange Phasen der Leere für eine einzige der Fülle. Vor allem aber ist das erfüllte Leben ein Leben in der Fülle des Sinns auf allen geschilderten Ebenen, um des vollen Menschseins willen. Fülle des Sinns bedeutet für das Selbst, sich voll entfalten zu können und auf diese Weise Glück zu erfahren; gemeint ist auch die hermeneutische Fülle, die verhindert, sich in einen allzu engen Zirkel der Lebensdeutung oder in die Überzeugung allgemeiner Sinnlosigkeit einzuschließen. Die Vielzahl möglicher Deutungen legt sogar den Schluss nahe, dass alles voller Sinn ist, voller Zusammenhänge; entscheidend wäre dann nur, dies auch so wahrzunehmen, und die äußerste Erfüllung bestünde darin, absoluten Sinn im eigenen Leben, vielleicht im Leben überhaupt zu sehen. Nicht immer ist das zugehörige Bewusstsein im jeweiligen Moment präsent, daher ist das Glück der Fülle zuweilen erst in der Erinnerung erfahrbar: mit dem Blick aus der Distanz, dem sich das gesamte Leben zur Kohärenz fügt, mit all den lichten Stellen und Schattierungen, die den Reichtum des erfüllten Lebens zwischen Geburt und Tod ausmachen.

Vom Kindsein und vom Älterwerden.
Über Anfang und Ende der Lebenskunst
Lernen von der Lebenskunst der Kinder
    Angst ist, wenn sonst nichts, der Anfang der Lebenskunst, Anlass zur Sorge um sich selbst. Das Selbst, das diesen Anstoß aufnimmt, begibt sich auf die Suche nach der Lebenskunst, die mit der Kindheit entschwunden ist. Denn das ist das Verblüffende an Kindern: dass sie offenkundig über sehr viel Lebenskunst verfügen. Merkwürdig ist nur, dass bei einigen die Lebenskunst nicht oder nicht voll zur Entfaltung kommt, vielleicht weil sie zu früh schon zu viel von schrecklichen Seiten des Lebens wissen müssen. Und geradezu mysteriös ist, dass nahezu alle Lebenskunst mit dem Erwachsenwerden vergessen wird und nur mühsam, wenn überhaupt, wieder zu erlernen ist. Kann denn aber für die kindliche Lebenskunst gelten, dass sie eine bewusste Lebensführung ist, mit der ein Selbst sich und sein Leben gestaltet; ein Ausdruck der Sorge für sich? Ist ein Kind dazu in der Lage?
    Es wäre unsinnig, das durchweg behaupten zu wollen, und ebenso unsinnig, es rundweg zu bestreiten. Die kindliche

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