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Mit sich selbst befreundet sein

Mit sich selbst befreundet sein

Titel: Mit sich selbst befreundet sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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Reise, ein Auto und vielleicht ein Haus leisten zu können. In diesem Fall ist Geld kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck eines Verfügens über Möglichkeiten ; Selbstsicherheit und Selbsterweiterung können damit verbunden sein. Menschen »tun alles fürs Geld«? Nein, sie tun alles für das Verfügen über Möglichkeiten. Selbst bei einer »Abschaffung« von Geld und Besitz bliebe die Frage nach den Lebensmöglichkeiten offen, über die der Einzelne nicht selbst verfügt, sondern für die er auf andere angewiesen ist, für die wiederum dasselbe gilt; und so käme es wieder zum Tauschhandel der Güter, der persönlicher, aber ungleich mühsamer ist als dessen durch Geld vermittelte abstrakte Form.
    Soll das Hantieren mit Geld und Besitz jedoch nicht beliebigund willkürlich werden, so stellt sich im Umgang damit erneut die Aufgabe, nach erlangter Befreiung der Freiheit Formen zu geben . Ein gekonnter Umgang mit Geld und Besitz ist Bestandteil des umsichtigen Umgangs mit sich selbst und besteht in der Festlegung eines Maßes , nicht unbedingt aus moralischen Gründen, sondern aus Gründen einer Wahrung der Freiheit. Denn nur bis zu einem bestimmten, wenngleich nicht allgemein festzulegenden Maß an Geld und Besitz ist die Freiheit als Befreiung erfahrbar; darüber hinaus wird sie von ihren eigenen Konsequenzen wieder begrenzt: Das Selbst kann niemandem mehr ohne weiteres vertrauen, es muss aufpassen auf seinen Besitz; es unterliegt der verschärften Beobachtung anderer und kann sich nicht mehr völlig frei bewegen; es zieht Neid auf sich, während der eigene Neid die Spirale des Vergleichs mit anderen weiterdreht und zu einer Steigerung des Besitzes nötigt. Immer werfen Geld und Besitz diese beiden Probleme des Maßes auf: 1. Ein Zuwenig. 2. Ein Zuviel. Bei einem Zuwenig wird die Lösung sämtlicher Lebensprobleme vom erhofften Besitz erwartet: »Wenn es nicht mehr nötig ist, Geld zu verdienen, dann…«, ein Fall von Projektion. Bei einem Zuviel ist schmerzlich zu erfahren, dass die Überwindung materieller Fragen die eigentlichen Lebensfragen noch gar nicht berührt, ganz im Gegenteil sie noch verschärft, denn deren materielle Beantwortung kann nun nicht mehr erhofft werden: Ende der Projektion, erneutes Aufbrechen der Lebensangst, der Frage nach dem Können des Lebens und Zusammenlebens, der Suche nach Glück und Sinn des Lebens.
    Aber vielleicht ist es Ausdruck einer Gerechtigkeit des Lebens, dass die Besitzenden mit Schwierigkeiten zurechtzukommen haben, die den Nichtbesitzenden, arm, aber voller Leben, so nicht bekannt sind, während die Wohlhabenden, satt, aber ohne Impuls des Lebens, damit zu kämpfen haben. Jeder Schritt in den Wohlstand ist daher mit Vorsicht zu gehen, denn es ist leichter, »zu etwas zu kommen«, als davon wieder loszukommen, wenn es Not tut. Sinnvoll wäre, über einige materielle Mittel zu verfügen,aber Sorge für ihre Begrenzung zu tragen, um nicht in Überfluss und Überdruss unterzugehen. Einen möglichen Anhaltspunkt für das richtige Maß, einen Grundsatz für die materiellen wie auch ideellen Grundlagen des Lebens, ja geradezu die »große Regel der Lebenskunst« ( gran regla del arte del vivir ) liefert Balthasar Gracián in seinem Handorakel , Aphorismus 134: Es komme darauf an, »die Veranlassungen des Guten und Bequemen doppelt zu haben. Wie die Natur die wichtigsten und ausgesetztesten Glieder uns doppelt verlieh, so mache die Kunst es mit dem, wovon wir abhängen«. Wenn daher »die Ursachen des Fortkommens, der Gunst, des Genusses« doppelt sichergestellt werden, dann »verdoppelt man sein Dasein«. Oder ist das nur ein Traum?
Unbesorgtheit, Selbstvergessenheit, Selbstverzicht
    »Harte Zeiten für Träumer«, sagt eine Frau beiläufig. Träumer, das sind Romantiker. Harte Zeiten, das sind die Zeiten funktionaler, kalter Pragmatik, in denen das Selbst sich in Arbeit und Sorge erschöpft. Romantik ist die Bewegung, die schon am Beginn der Moderne als deren Kritik begründet worden ist und sie in immer neuen Bewegungen seither zu korrigieren versucht. Aber Romantik geschieht nicht von selbst, sie ist vielmehr selbst eine Frage von Arbeit. Sie wird erarbeitet in Haltungen, Verhaltensweisen, Sichtweisen, die in der Lage sind, eine eintönige Realität aufzusprengen. Gegenüber einer schmal gewordenen klugen Sorge, die nur noch als Sorge um materielle Vorteile verstanden wird, macht sie eine Unbekümmertheit geltend, die geradezu kindlich ist. Kontrastiert wird die

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