Mit sich selbst befreundet sein
als Arbeit , mit der neue Perspektiven zu gewinnen sind: Arbeit ist keineswegs nur ein Tun, sondern ebenso ein Lassen, nicht nur Aktivität, sondern auch Passivität, die in moderner Zeit jedoch vernachlässigt worden ist, sodass der Einzelne nicht mehr zur Besinnung kommt und Zusammenhänge nicht mehr zu sehen vermag. Und schließlich, nun jedoch eingebettet in die verschiedenen Aspekte von Arbeit, geht es um die Erwerbsarbeit , für die es von Bedeutung ist, ob sie in Bezug zum eigenen Leben gesetzt und als Arbeit an sich selbst verstanden werden kann. Auch bei ihrem Ausbleiben bleiben die anderen Aspekte der Arbeit erhalten.
Statt Arbeit und Leben getrennt zu sehen und eine Balance dazwischen zu suchen, kommt es eher darauf an, einen umfassenderen Begriff von Arbeit zu gewinnen: die Lebensarbeit , in der Arbeit und Leben und die verschiedenen Aspekte von Arbeit integriert sind. Lebensarbeit stellt die übergreifenden Zusammenhänge wieder her, die sich gegen einen allein ökonomisch bestimmten Arbeitsbegriff geltend machen lassen: Arbeit ist nicht bloße »Güterproduktion« oder lediglich »entlohnte Tätigkeit«, sondern ein Akt der Gestaltung des Lebens, ars laborandi als Bestandteil der ars vivendi . Für jede Arbeit gilt der Grundsatz des fabricando fabricamur : Durch das Arbeiten wird das Selbst bearbeitet. Die Arbeit an etwas, die Art und Weise der Arbeit, die Haltung, mit der gearbeitet wird: all das wirkt auf das Selbst zurück, und dies so sehr, dass auch Charaktereigenschaften davon geprägt und verändert werden. Das geschieht in jedem Fall, die Frage ist nur, ob dies auch so verstanden wird: Arbeit als Askese, sich zu üben und durch diese Übung und Gewöhnung sich selbst zu gestalten. In nichtmodernen Kulturen ist diese Arbeit nicht vorsätzlich zu leisten, denn das Verhältnis zum Leben, zu sich selbst und zu anderen versteht sich aus Tradition, Konvention, Religion heraus bereits von selbst. In der Kultur der Moderne hingegen sind die Menschen an die Übernahme dieser Arbeit noch nicht gewöhnt, daher die eigentümliche Arbeitsscheu im Hinblick auf die Lebensarbeit und Arbeit an sich selbst. Dabei handelt es sich um eine anspruchsvolle Aufgabe: Wer sich auf die Anstrengung versteht, das Leben richtig zu leben, hat »die größte aller Aufgaben« vollbracht, meint Montaigne in seinem Essay »Über die Erfahrung«. Mithilfe dieser Arbeit entsteht das Leben als »großes und leuchtendes Meisterwerk«.
Lebensarbeit umfasst über die bereits genannten Aspekte hinaus aber vor allem die Arbeit am Sinn , zunächst bezogen auf die Arbeit selbst. Es geht darum, Zusammenhänge der eigenen Arbeit, jeder Arbeit, in größerem Rahmen zu sehen und danach zu fragen, ob und gegebenenfalls welche Bedeutsamkeit ihr zukommt, in einem Haus, in einer Institution, in der Gesellschaft. In Zeiten der Muße, »Auszeiten«, sabbaticals , lässt sich dies besser erkunden als inmitten der alltäglichen Anforderungen. In Frage stehen in erster Linie teleologische Zusammenhänge des Wofür, des »um zu«: um auf ein Ziel, einen Zweck (griechisch télos ) hinarbeiten zu können, etwa um Verhältnisse zu verändern und zu verbessern, sich und anderen zu helfen. Viele sehnen sich danach, »gebraucht zu werden«, und leiden darunter, dass »jeder ersetzbar ist«, vor allem durch Maschinen. Zu ersetzen wäre jedoch vor allem das heteronome »um zu« durch ein autonomes , umZiel und Zweck der Arbeit nicht von anderen sich vorgeben zu lassen, sondern selbst darüber zu entscheiden, wofür zu arbeiten sei. Zum Gegenstand einer eigenen Sinngebung werden ferner soziale Zusammenhänge , um andere als nur funktionale, wenigstens einige kooperative, im besten Fall freundschaftliche Beziehungen im Arbeitsumfeld zu begründen. Denn wenn über teleologische Zusammenhänge hinaus auch soziale entbehrt werden müssen, kann es zur bitteren Erfahrung völliger Sinnlosigkeit bei jeder Arbeit kommen. Das Zerbrechen von Beziehungen im privaten Umfeld, in deren Netz wesentliche Zusammenhänge des Lebens geknüpft werden, verschärft die Situation nur noch. Als begrenzt erweist sich dem gegenüber die Reichweite ökonomischer Zusammenhänge : Macht die Arbeit für Geld, macht sie in diesem Unternehmen, macht das jeweilige Unternehmen, macht Wirtschaft überhaupt Sinn? Sind die erkennbaren Zusammenhänge ausschließlich ökonomischer Natur, treibt dies zwangsläufig Fragen nach ethischen Zusammenhängen hervor, nach einer Bindung der Arbeit und des
Weitere Kostenlose Bücher