Mit sich selbst befreundet sein
in clownesker Übertreibung schreiend bunt zu bemalen und mit absurden Gegenständen zu behängen – oder im Kontrast dazu entsagungsvoll auf jegliche Veränderung am Körper zu verzichten, um ihn so zu belassen, wie er nun mal gegeben ist.
Der letzte Akt des Körpertheaters erst präsentiert die mögliche Veränderung des Körpers , bei der es nicht mehr um bloß äußerlichen Schmuck geht und die ihn nicht in seiner Integrität belässt, sondern so nachhaltig auf ihn einwirkt, dass dies kaum jemals mehr zu revidieren ist. Das geschieht zum einen über ein ausdauerndes »Training«, das ausgewählte Körperpartien modifiziert und transformiert, zum anderen über mehr oder weniger schmerzliche Eingriffe in den Körper, um ihn zum bewusst gestalteten Kunstwerk zu machen. Ein Beispiel dafür ist die Kunst des Körpers, Body-Art , vor allem in Form des Tattoo, mit dem das Selbst seinen Körper zum Blühen bringt. Weiter gehende Eingriffe in den Körper sind »Schönheitsoperationen«, die ihn nach eigenen Wünschen zu modellieren erlauben. Es scheint, als würden einige utopische Energien, die einst in Projekte einer idealen Gesellschaft flossen, zwischenzeitlich die körperliche Perfektionierung vorantreiben. Zwar steht es dem Selbst nach der modernenBefreiung von Vorgaben der Tradition, Konvention, Religion frei, auf seinen Körper beliebig einzuwirken. Gleichwohl erscheint es klug, diese Freiheit vorsichtig und maßvoll zu gebrauchen, aus eigenem Interesse, um nicht Konsequenzen tragen zu müssen, die problematischer sein könnten als ein imperfekter Körper. Ohnehin ist Perfektion ausgeschlossen, wenn es um körperliche Schönheit geht: Denn unweigerlich schwindet sie mit den Jahren, und anstatt sie mit aller Macht und allen Mitteln zu erlangen und zu bewahren, könnte das Selbst an der seelischen Schönheit arbeiten, die mit den Jahren noch gewinnt und körperliche Einbußen mühelos überstrahlt. – Das abschließende Satyrspiel stellt die Resultate körperlicher Veränderungen mit tragischem Ausgang dar: zombiehaft verunstaltete Körper, deren Gestaltung zur Schönheit verunglückt ist. Und als Kontrast hierzu Körper, die von den verführerischen Möglichkeiten zu ihrer Veränderung gänzlich unberührt geblieben sind, heitere Konsequenz eines souveränen Verzichts des Selbst, das seine Kräfte lieber der Ausarbeitung der Sinnlichkeit widmet, die von größerer Bedeutung für Körper und Seele ist.
Ausarbeitung der Sinnlichkeit: Künste der fünf Sinne
Sinnlich ist das Selbstsein durch und durch. Es revoltiert mit Verve, verkümmert dann und verzagt, wenn die Sinne nicht angesprochen werden; alle »Rationalität« kommt gegen die übermächtige Sehnsucht nach Erfüllung sinnlicher Bedürfnisse nicht an. Statt alle Kraft defensiv auf eine Abwehr der Sinnlichkeit zu verwenden, erscheint es sinnvoller, sie offensiv zu deren Ausarbeitung und Verfeinerung zu nutzen, um die Sinne zu stärken und zu schärfen, nicht nur um ihrer selbst willen, sondern auch zur besseren Orientierung des Selbst mit ihrer Hilfe. Anzuregen und zur Entfaltung zu bringen sind sie mit Techniken der Entgegensetzung ( Kontrastierung ), der Erneuerung ( Innovation ), der Veränderung ( Alteration ), der Stärkung ( Intensivierung ) und der Entbehrung( Negation ) von Sinneseindrücken. Einige Übungen hierzu vermag das Selbst für sich selbst zu konzipieren, mit dem Ziel sinnlicher Selbstmächtigkeit : sinnliche Fülle und zugleich eine Fülle von Informationen mithilfe aller Sinne zu gewinnen und zu differenzierter Wahrnehmung in der Lage zu sein; die Schwäche eines Sinns durch die Stärkung anderer zu kompensieren; aber nicht nur Sinne und Aufmerksamkeit wach zu halten, sondern auch Dämme gegen ihre Überflutung zu errichten, um, wenn es erforderlich erscheint, Sinnesreize und Informationen der Sinne fern zu halten.
Eine Übung des Sehsinns kann in der bewussteren Wahrnehmung von Farben bestehen, etwa Schwarz zu sehen . Schwarz, diese »unbunte« Farbe, vor deren Hintergrund alle Buntheit der Welt sich erst abhebt, gilt als Farbe der Langeweile, des Traurigseins, der Indifferenz. Sie differenzierter zu sehen, lässt sich erlernen im Umgang mit Kunstwerken der Malerei, die virtuos mit Schwarz spielen und ihm allein sich zuweilen widmen. Einen modernen Höhepunkt fand die »Schwarzmalerei« mit dem Schwarzen Quadrat und Schwarzen Kreis (1914/15) von Kasimir Malewitsch: Was dem ersten Blick als simples Schwarz erscheint, erweist sich beim
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