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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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beginnt darauf zu warten, daß der Erpresser eine Unvorsichtigkeit begeht und seinen Kopf wenigstens für den Bruchteil einer Sekunde aus einer Tür- oder Fensteröffnung herausstreckt. Im Bruchteil einer Sekunde kann man nur einen einzigen Schuß abgeben und nicht zehn. Der Scharfschütze liegt die ganze Zeit auf der Lauer und rührt sich nicht, um sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Da ist weder etwas mit Essen noch mit Rauchen, er darf sich nicht einmal kratzen, wenn es juckt, er darf nicht einmal zur Toilette gehen.«
    »Wie das?« fragte Tschernyschew verblüfft, dem so selbstverständliche Dinge aus irgendeinem Grund noch nie in den Kopf gekommen waren.
    »Einfach so. Er muß in die Hose machen. Er liegt da und schmort in seinem eigenen Schweiß und Urin. Kurz, ein Scharfschütze ist ein Mensch, der über eiserne Disziplin verfügt. Er kann bewegungslos daliegen oder sitzen und warten, ohne nervös oder ungeduldig zu werden, ohne auch nur für einen Augenblick in der Konzentration nachzulassen. Vom Temperament her muß er Phlegmatiker sein, im äußersten Fall Sanguiniker. Am besten ist es, wenn er emotional kalt ist, ein Mensch, der keine heftigen Gefühle kennt.«
    »Warum? Was hat das damit zu tun?«
    »Alles. Die Hand eines Scharfschützen darf kein einziges Mal zucken, Andrjuscha. Weder aus Mitleid mit dem Opfer noch aus Haß, noch aus irgendeinem anderen Grund. Die Hand zuckt leicht, wenn man etwas fühlt, nicht wahr? Der Scharfschütze darf weder Mitleid kennen, noch darf er Haß gegen den fühlen, den er umbringen will. Er muß von Natur aus gleichgültig sein oder sich zur Gleichgültigkeit zwingen können, nur dann ist er ein richtiger Scharfschütze. Insofern wirst du ihn kaum unter den Psychopathen finden. Wahrscheinlich ist er ganz normal, das heißt ein Ungeheuer der Extraklasse.«
    »Aber wenn er normal ist, dann muß es zwischen den sechs Morden einen Zusammenhang geben«, sagte Andrej nachdenklich. »Und ich kann beim besten Willen keinen Zusammenhang erkennen.«
    Schaljagin zuckte mitfühlend mit den Schultern, nahm einen letzten großen Schluck aus der Flasche und versteckte sie wieder unter dem Autositz.
    5
    Vitalij Nikolajewitsch Kabanow hatte das Gefühl, daß er mit jedem Wort, das er sagte, sein eigenes Grab schaufelte. Mit jedem Wort wurde die Grube tiefer, die er sich selber grub, indem er Trofims Auftrag erfüllt.
    »Ein Mann und eine Frau in einer Einzimmerwohnung, zweiter Stock. Das Haus, in dem sich das Geschäft ›Gaben des Meeres‹ befindet. Du hast Zeit bis Dienstag abend. Spätestens am Mittwoch morgen müssen wir uns treffen. Du wirst mir bestätigen, daß du den Auftrag ausgeführt hast, und bekommst dein Honorar. Da dies mein erster Auftrag an dich ist, ist kein Vorschuß vorgesehen. Ist dir alles klar?«
    »Ja.«
    »Nimmst du den Auftrag an?«
    »Ja.«
    »Denk gut darüber nach, jetzt kannst du noch ablehnen. Sobald du aus der Tür gegangen bist, beginnt die Uhr zu laufen. Du hast drei Tage.«
    »Ich werde den Auftrag ausführen.«
    Während Kabanow in die ruhigen, bewegungslosen Augen seines Gegenübers sah, kam er erneut zu dem Schluß, daß hier von einer kranken Psyche nicht die Rede sein konnte. Das ist kein Mensch, dachte Vitalij Nikolajewitsch, das ist eine Tötungsmaschine, die nichts fühlt, die keine Zweifel kennt, keine Angst, kein Erbarmen. Wo kamen Ungeheuer wie diese nur her?
    6
    Kira ging zum zweiten Mal in eine Telefonzelle und wählte erneut die Nummer der Kamenskaja. Endlich wurde abgenommen, und Kira übermittelte Nastja alles, was Dima ihr aufgetragen hatte.
    »Am Montag morgen hat er mit Russanow telefoniert, Sergej wird das bestätigen, denn er hat Dima selbst angerufen, um mit ihm über ein Geburtstagsgeschenk für Lena zu sprechen . . .«
    »Moment«, unterbrach die Kamenskaja. »Haben Sie gesagt, daß Russanow am Montag morgen bei Platonow angerufen hat?«
    »Ja, gegen neun Uhr.«
    »Sind Sie sicher, daß Sie sich nicht irren, daß es nicht umgekehrt war?«
    »Russanow hat Dima angerufen, ich irre mich nicht. So hat Dima es mir gesagt.«
    »Gut, fahren Sie bitte fort.«
    »Nach dem Telefonat mit Russanow ging Dmitrij in die Garage, setzte sich ins Auto und fuhr zur Arbeit. . .«
    Nachdem Kira die Telefonzelle verlassen hatte, ging sie langsam bis zum Boulevard, überquerte die Straße und setzte sich auf eine Bank. Sie mußte nachdenken.
    7
    Heute entschloß Platonow sich, alle Vorbereitungen zu treffen, um Kiras Wohn- und Schlafzimmer zu

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