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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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völlig recht, ich könnte ein paar Bücher in die Hand nehmen und mich in drei Tagen in die Materie einarbeiten. Aber ich will nicht.«
    »Aber warum denn nicht?«
    »Weil mich das langweilt. Geld ist nie der Urgrund für einen Mord. Es kann der Anlaß sein, es kann auch der zweite Grund sein, aber niemals der erste.«
    »Ich verstehe Sie wieder nicht. Ich war immer der Meinung, daß Geld und Habgier zu den am meisten verbreiteten Motiven für Mord gehören. Ist es denn nicht so?«
    »Nein, natürlich nicht. Das Motiv ist ein ganz anderes. Es geht darum, wofür jemand das Geld braucht. Und die Antwort auf diese Frage liegt in den ganz gewöhnlichen menschlichen Gefühlen und keineswegs in der Wirtschaftstheorie. Der Mensch will Macht. Er will physischen und materiellen Komfort. Oder er will die Frau erobern, die er liebt. Oder er möchte am Leben bleiben. Für alles das braucht man unter Umständen Geld. Und wenn man dafür etwas anderes bräuchte, würde der Mensch auch töten, aber eben nicht den, der Geld hat, sondern den, der das andere besitzt. Weil es im Menschen etwas gibt, das stärker ist als das biblische Verbot zu töten. Das ist es, was mich interessiert, Iwan Alexejewitsch. Mir ist es nicht wichtig, auf welche Art und Weise jemand zu Geld kommt, wie er es einem anderen wegnimmt, zur Beschäftigung mit diesen Fragen haben wir andere Instanzen, das Amt zur Bekämpfung von Wirtschaftsverbrechen und das Amt zur Bekämpfung organisierter Kriminalität und Korruption, in dem Sie arbeiten, Genosse General. Ich will verstehen, warum der Mensch tötet. Wir haben uns daran gewöhnt zu glauben, daß er es tut, weil er viel Geld haben will, und weiter fragen wir nicht mehr. Als wäre der Wunsch, viel Geld zu haben, völlig natürlich, ebenso natürlich wie der Wunsch, zu leben und dabei seine Freiheit zu erhalten.«
    »Ist es denn nicht so?« erkundigte sich der General mit Ironie in der Stimme.
    »Natürlich nicht. Der Wunsch nach Leben ist in unserer Natur begründet, das ist ein normaler, gesunder Instinkt. Der Wunsch nach Geld steht auf einem anderen Blatt. Was macht ein Mensch, der viel Geld hat, wofür gibt er es aus? Für Nahrung? Für Reisen? Für eine verläßliche Leibwache? Für Frauen? Arbeitet er mit dem Geld oder versteckt er es in einem Koffer oder unter der Matratze und läuft als armer Schlucker herum, weil das Wissen darum, daß er in Wirklichkeit Millionär ist, ihm genügt und einen Wert als solchen für ihn darstellt? Darum geht es, Iwan Alexejewitsch. Wegen dieser Dinge tötet der Mensch, das Geld ist nur Mittel zum Zweck.«
    »Sie halten es für möglich, daß hinter den Morden an Agajew und Tarassow keine pekuniären Interessen stehen?«
    »Durchaus. Und wenn ich ehrlich bin, hoffe ich, daß es so ist, daß das Geld hier keine Rolle spielt.«
    »Aber warum denn?«
    »Weil meine Arbeit dann spannender ist. Die Menschen sind viel interessanter als die Wirtschaft.«
    »Dann habe ich gut daran getan, daß ich den Teil der Arbeit übernommen habe, der das Wirtschaftliche betrifft, und Ihnen die Alltagspsychologie überlassen habe.«
    Sie hatten längst die Metro erreicht und standen auf der offenen Plattform im schneidenden Wind.
    »Wo fahren Sie jetzt hin?« fragte Satotschny.
    »Nach Hause. Mir ist schrecklich kalt, und außerdem muß ich jetzt mindestens einen Liter starken Kaffee in mich hineinschütten, sonst bin ich kein Mensch, sondern ein Häufchen Elend.«
    »Aber warum haben Sie denn nichts gesagt?« fragte Iwan Alexejewitsch enttäuscht. »Dann hätte ich Sie nicht durch diesen Park geschleppt, sondern zu mir nach Hause eingeladen.«
    Seine Stimme klang schuldbewußt, aber in seinen Augen stand wieder das warme Licht, das Nastja jetzt zu sagen schien: Ich weiß, daß ich unaufmerksam war, aber Sie werden mir nicht böse sein, nicht wahr? Weil Sie mir gar nicht böse sein können. Weil ich Ihnen gefalle und Sie mir alles verzeihen würden.
    »Um mich mit Haferflockenbrei zu bewirten?« fragte Nastja lächelnd.
    Sie sah in seine gelb getigerten Augen und war erneut erstaunt darüber, wie gut er ihr gefiel. Früher hatten Männer dieses Typs sie nie interessiert. Was um Himmels willen ging mit ihr vor?
    3
    Am Sonntag morgen machte Kira sich auf den Weg, um einzukaufen. Die meisten Geschäfte hatten am Sonntag geschlossen, nur die Supermärkte im Stadtzentrum waren geöffnet. Während Platonow ihr dabei zusah, wie sie sich anzog, wiederholte er noch einmal den Auftrag, den sie heute

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