Mit verdeckten Karten
einzuschüchtern waren. Mit ihnen mußte man höflich und geistvoll sprechen, mit einem leisen, kaum merklichen Humor mußte man sie in Widersprüche verwickeln und ihnen verschleierte Geständnisse entlocken. Als der General noch Hauptmann und leitender operativer Mitarbeiter in der Bezirksverwaltung war, war ein Spruch über ihn im Umlauf, den irgendein Witzbold erfunden hatte: »Je leiser der Satotschny spricht, desto schärfer das Gericht.«
Der General verfügte noch über eine zweite »Geheimwaffe«. Das wußten alle, die ihn kannten, aber kaum jemand war gegen diese Waffe gefeit. Iwan Alexejewitsch Satotschny konnte lächeln. Und das nicht einfach so, nicht auf dienstliche Art, wenn sich nur der Mund verzieht und die Augen kalt und teilnahmslos bleiben, nein, der General lächelte aufrichtig, freudig, mit den makellos geraden weißen Zähnen blitzend. Seine gelben Tigeraugen glichen in solchen Momenten zwei kleinen Sonnen, die Licht ausstrahlten und sein Gegenüber in eine überraschende, sanfte Wärme tauchten, während das Gesicht des Generals so viel Wohlwollen und Herzlichkeit ausdrückte, daß man unmöglich widerstehen konnte. Es gab zahllose Leute, die diesem berühmten Lächeln auf den Leim gegangen waren, die im kritischen Moment ihre Vorsicht vergessen hatten und ihr Wissen darum, wie gefährlich und unberechenbar Satotschny sein konnte.
»Komm herein, Artur«, sagte der General freundlich, während er sich von seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch erhob und Mukijenko mit ausgestreckter Hand entgegenging.
Der Oberst erwiderte den kräftigen Händedruck des Generals und warf ihm einen prüfenden Blick zu. Lieber ein Ende mit Schrecken, sagte er sich, als ein Schrecken ohne Ende.
»Werden Sie mich jetzt schlagen?« fragte er ohne Umschweife.
»Zuerst muß ich der Sache auf den Grund gehen«, erwiderte Satotschny lächelnd. »Nimm Platz! Ich erfahre Neuigkeiten gern aus erster und nicht aus zweiter Hand. Mehrfach nacherzählte Neuigkeiten gleichen Gegenständen auf einem Trödelmarkt, die durch viele Hände gegangen sind und von denen kein Mensch mehr weiß, wie sie ursprünglich ausgesehen haben.«
»Soll ich von Anfang an erzählen?«
»Unbedingt«, sagte der General mit Nachdruck.
»In der vorigen Woche erreichte uns der Hinweis eines Angestellten aus der Finanzabteilung eines Betriebes in Uralsk«, begann Mukijenko. Er bemühte sich, präzise und der Reihe nach zu erzählen, damit der General alles verstand, und sich gleichzeitig möglichst kurz zu fassen.
»Der Name dieses Angestellten ist Sypko. Er hat sich vor acht Monaten an uns gewandt, weil er in den Unterlagen des Betriebes Ungereimtheiten bei der Ausmusterung elektronischer und anderer edelmetallhaltiger Geräte entdeckt hatte. Die Überprüfung der Angelegenheit wurde Oberstleutnant Platonow übertragen. Vor kurzem hat sich Sypko erneut an uns gewandt und uns mitgeteilt, daß seinem Hinweis nicht nachgegangen wurde, daß bisher nichts geschehen ist, um den Betrug aufzudecken und die Schuldigen zu bestrafen. In Uralsk recherchierte in dieser Angelegenheit Hauptmann Agajew im Auftrag von Platonow. Vor zwei Tagen kam Agajew auf Platonows Aufforderung nach Moskau und brachte Unterlagen über die besagten Geräte mit. Vorgestern, am Mittwoch, hat sich Agajew mit Platonow getroffen. Am Abend desselben Tages wurde er ermordet. Die mitgebrachten Unterlagen wurden nicht bei ihm gefunden, statt dessen zwei interessante Papierstücke. Erstens das Fernschreiben, mit dem Platonow seinen Kollegen Agajew nach Moskau bestellt hat. Zweitens ein Papierstreifen mit einer Kontonummer und einem Datum darauf. Die Überprüfung hat ergeben, daß es sich um ein Bankkonto der Firma Natalie handelt, auf das am angegebenen Tag eine Summe von zweihundertfünfzigtausend Dollar überwiesen wurde. Das Geld stammt vom Konto der Firma Artex, die im vorigen Monat ihre Auflösung bekanntgegeben hat. Und der Clou an der Sache ist, daß Artex nach Platonows Unterlagen die Firma ist, über die der Betrieb in Uralsk den ungesetzlichen Verkauf der ausgemusterten Geräte abgewickelt hat. Und bei der Firma Natalie arbeitet Platonows Frau. Als ich Platonow bat, mir seine Ermittlungsunterlagen bezüglich des Betriebes in Uralsk vorzulegen, ging er in sein Büro, um diese Unterlagen zu holen, und kam nicht wieder. Seither ist er verschwunden. Das ist im Grunde alles.«
Mukijenko holte Luft und bereitete sich auf die Zurechtweisung vor.
»Nein, Artur, nein, das ist noch lange
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