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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Ministerium stehenlassen.«
    »Tatsächlich? Demnach ist er kein Dummkopf«, konstatierte Satotschny mit müder Stimme. »Nun ja, ich setze meine Hoffnungen auf Russanow. Soll er Platonow ruhig decken, die Ermittler von der Petrowka werden sowieso mit einem Berg von Indizien auffahren. Aber sollte Platonow unschuldig sein, wird Russanow ihm aus der Patsche helfen. Davon bin ich überzeugt.«
    General Satotschny brauchte nicht mehr als zweieinhalb Stunden, um zu erreichen, daß Oberstleutnant Sergej Russanow, der leitende operative Mitarbeiter des Ressorts zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität, in das operative Ermittlerteam einbezogen wurde, das man in der Petrowka zur Untersuchung und Aufklärung des Mordes an Hauptmann Wjatscheslaw Agajew gebildet hatte.
    2
    Jurij Jefimowitsch Tarassow zerfiel in viele kleine Teile, und Nastja gelang es einfach nicht, diese Teile zu einem Ganzen zusammensetzen. Das Bild des Toten entglitt ihr immer wieder und wollte keine klare Gestalt annehmen. Nastja störten zwei Dinge: Tarassows treuherzige Ungeniertheit und Taktlosigkeit und die Tatsache, daß er in seiner Wohnung drei osteuropäische Schäferhunde gehalten hatte. Sowohl das eine als auch das andere war nicht etwa irgend jemandes Einbildung oder Erfindung, sondern bewiesene Realität. Jurij Jefimowitschs Persönlichkeit mußte irgendwo zwischen diesen zwei Gegensätzen gesucht werden, aber aus irgendeinem Grund war da nichts zu sehen.
    Wozu brauchte jemand, der nicht in seiner Datscha auf dem Land wohnte, sondern in einer Stadtwohnung, drei große Diensthunde? Um Welpen zu bekommen und sie dann zu verkaufen? Diese Erklärung entfiel, denn Tarassows Hunde waren alle drei Rüden. Auch zur Bewachung hielt sich niemand drei Schäferhunde, einer war für diesen Zweck genug.
    Womöglich war Tarassow in irgendwelche sehr schwerwiegende Angelegenheiten verwickelt, womöglich befand sich sein Leben in ständiger Gefahr. In diesem Fall war es durchaus angebracht, sich zwei Wachhunde zu halten. Während du mit dem einen Gassi gehst, bleibt der andere in der Wohnung, und bei der Rückkehr bist du davor gefeit, daß dich zu Hause unangemeldete Gäste erwarten oder daß du beim Öffnen der Tür in die Luft gehst. Gut, eine mögliche Erklärung für zwei Wachhunde hatte Nastja gefunden. Aber wozu, um Himmels willen, drei?
    Vielleicht war Tarassow ein Hundenarr. Vielleicht hatte er ein Faible für Schäferhunde. Schließlich gab es im Gehirn eines jeden Menschen irgendwelche skurrilen Abgründe.
    Aber wie paßte das mit Tarassows krankhafter Ordnungsund Reinlichkeitsliebe zusammen? Drei große, haarende Hunde, die ständig Dreck von der Straße hereintrugen, für die man jeden Tag das Fressen zubereiten mußte, die drei Schlafunterlagen und sechs große Schüsseln brauchten, je eine zum Fressen und zum Saufen – das bedeutete ständige Unordnung und Schmutz in der Wohnung. Ein Mensch, der pedantisch auf Ordnung und Sauberkeit bedacht war, würde sich nie drei große Hunde in der Wohnung halten. Der dreifache Hundebesitzer Tarassow war einfach nicht vereinbar mit dem Tarassow, der den ganzen Tag mit Putzlappen und Scheuerpulver in der Protokollabteilung herumgerannt war. Ein Mensch, der sich anderen ständig mit idiotischen, ungebetenen Ratschlägen aufdrängte und von morgens bis abends ohne Unterbrechung plapperte, war schwer vereinbar mit der Vorstellung von einer Person, die in ständiger Gefahr lebte und sich deshalb drei aggressive Wachhunde hielt. Irgend etwas paßte hier nicht zusammen. Wie Anastasija Kamenskaja die Fakten auch drehte und wendete, immer wieder stieß sie auf unvereinbare Widersprüche.
    Igor Lesnikow war mit der Klärung der Frage beschäftigt, wie der Zutritt zum Gebäude des Staatlichen Zentrums für Internationale Beziehungen geregelt war. Das Ergebnis seiner Nachforschungen war ebenfalls nicht sehr ermutigend. Mit Ausnahme der Mitarbeiter und Hotelgäste des Zentrums, die einen ständigen Passierschein besaßen, mußte jeder, der das Gebäude betreten wollte, sich erst einen einmaligen Passierschein ausstellen lassen. Aber diese Vorschrift wurde kaum eingehalten. Jeder Mitarbeiter konnte, nachdem er seinen Passierschein vorgezeigt hatte, mit dem Kopf auf seinen Begleiter deuten und ihn mit den magischen Worten »Das ist mein Gast« ins Gebäude mitnehmen. Zudem gab es einige schlecht oder gar nicht bewachte Eingänge, insbesondere den durch die Garage. Mit einem Wort, die Suche nach dem Mörder konnte

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