Mit verdeckten Karten
von ihm gehört, daß er Bekannte im Bezirk von Istra hatte. Weiß der Teufel, was er dort wollte.«
Nastja tippte die neuen Informationen über die vier Mordfälle flink in ihren Computer ein. Eine Zeitlang wurde die Stille im Zimmer nur von dem weichen Tacken der Tasten und den hellen Signalen unterbrochen, die die Maschine von sich gab, wenn ein ihr unbekanntes Wort eingegeben wurde.
»An deiner Stelle würde ich versuchen, im Bezirk von Choroschewsk einen Verrückten zu finden«, empfahl Nastja. »Die planmäßige Ermordung junger Männer sieht stark nach einer gestörten Psyche aus. Sie waren doch alle jung, oder?«
»Ja, zwischen neunzehn und fünfundzwanzig.«
»Und alle Morde wurden am Wochenende begangen?«
»Ja, alle.«
»Das verstehe, wer will«, sagte Nastja mit einem müden Seufzer. »Aber wir werden weitertüfteln.«
»Nastja, heute ist schon Donnerstag. Und wenn es am Montag wieder passiert? Ich verliere den Verstand, ich schwöre es dir. Du bist meine letzte Hoffnung.«
»Schiebe die Verantwortung nicht auf mich ab, Andrjuscha. Du weißt selbst sehr gut, daß ein psychisch Kranker seine Opfer in der Regel nach dem Zufallsprinzip auswählt, und in solchen Fällen werden die Verbrechen nie prompt aufgeklärt. Stell dich darauf ein, daß du noch einen Mord erleben wirst, bevor du diesen Verrückten faßt. Falls du ihn überhaupt je fassen wirst.«
»Hör auf mit diesem Unsinn!« brauste Tschernyschew auf. »Was redest du da?! Ich kann ohnehin schon nicht mehr schlafen.«
»Was soll man machen, Andrjuscha?« Nastja streichelte mitfühlend seine Schulter. »So ist nun mal unsere Arbeit. Rosen bringt sie uns nur einmal in zehn Jahren, aber Scheiße jeden Tag, und das in rauhen Mengen.«
5
Nachdem Nastja Tschernyschew hinausbegleitet hatte, streifte sie schnell ihre Jeans und den Pullover ab und stellte sich unter die heiße Dusche. Ihre Gefäße waren nicht die besten, und deshalb hatte sie immer kalte Hände und Füße. Sie konnte nicht einschlafen, wenn sie sich nicht vorher unter der Dusche aufgewärmt hatte.
Während sie in der Wanne stand und dem federnden Geräusch der dünnen Wasserstrahlen auf ihrer Duschhaube lauschte, brachte sie Ordnung in ihre Gedanken. Jura Korotkows Prophezeiung vom letzten Montag schien sich zu bewahrheiten. Der Mord im Staatlichen Zentrum für Internationale Beziehungen würde ihnen noch einiges Kopfzerbrechen bereiten. Dazu kam, daß gestern Wjatscheslaw Agajew, ein Mitarbeiter der Miliz, der von Uralsk nach Moskau gekommen war, ermordet wurde. Das allein besagte noch nichts, aber Agajew hatte über die Betriebe recherchiert, die dem Ministerium für Maschinenbau unterstellt waren. Demselben Ministerium, für das Jurij Jefimowitsch Tarassow so lange gearbeitet hatte. Und dieser so offenkundige Zusammenhang gefiel Anastasija Kamenskaja ganz und gar nicht.
VIERTES KAPITEL
1
Als Oberst Mukijenko zum General gerufen wurde, war er auf das Schlimmste gefaßt. An der Tatsache, daß Platonow ihn ausgetrickst hatte und spurlos verschwunden war, war nur er selbst schuld, und während er über den weichen Läufer auf dem Korridor zum Büro des Generals ging, versuchte der Oberst nicht einmal, sich eine Rechtfertigung für seine Fahrlässigkeit zurechtzulegen, sondern trug einfach nur sein schuldiges Haupt mannhaft auf den Schultern.
Er kannte General Satotschny seit langer Zeit, war aber nicht mit ihm befreundet, deshalb konnte er nicht mit Nachsicht rechnen. Mukijenko hatte eine kleine, ganz unbedeutende Schwäche, aber aufgrund dieser Schwäche konnte man ihn sofort an die Wand drücken. Er ertrug es nicht, wenn man mit erhobener Stimme mit ihm sprach. Er geriet sofort in Verwirrung, wurde rot, bekam feuchte Hände, er stotterte und wußte nicht mehr, was er antworten sollte, und das Wissen um seine Hilflosigkeit und Verletzbarkeit machte ihn aggressiv. Er war jedem noch so unangenehmen Gespräch gewachsen und konnte die Wogen jedes Konflikts glätten, aber nur dann, wenn man höflich und respektvoll mit ihm sprach. Leider geschah dies nicht allzu häufig.
Dieses Mal hatte Artur Eldarowitsch Glück. General Satotschny war früher, bevor er ins Innenministerium einzog, Ermittlungsbeamter im Ressort für Wirtschaftskriminalität gewesen, er hatte Erfahrung im Umgang mit Direktoren, Revisoren und Chefbuchhaltern großer Betriebe, Leuten also, die nach außen über sehr gute Manieren verfügten und die durch den Gebrauch von Zähnen und Klauen nicht so leicht
Weitere Kostenlose Bücher