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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Süden.«
    »Du machst also im Herbst Urlaub, in der sogenannten Samtsaison?«
    »Nein, auch das nicht. Ich fahre im Urlaub überhaupt nicht weg. Ich sitze zu Hause und verdiene Geld mit Übersetzungen.«
    »Hast du denn keine Datscha?«
    »Wo denkst du hin?« Sie machte eine erschrockene Handbewegung. »In meiner Familie hat nie jemand eine Datscha gehabt.«
    »Wie kommt das? Heute gibt es doch kaum noch jemanden, der keine Datscha oder zumindest irgendein Gärtchen außerhalb der Stadt hat.«
    »Das ist schwer zu sagen, Andrjuscha. Diese Frage hat sich mir nie im Leben gestellt. Meine Mutter hat immer viel gearbeitet, auch am Wochenende saß sie zu Hause am Computer. Mein Vater war bei der Kripo, für ihn war es schon ein Glück, wenn er pro Woche fünf Stunden Schlaf bekam. Ich war als Kind nie in der Natur, und ich habe auch gar kein Bedürfnis danach, irgendwohin in den Wald zu fahren oder auf ein Feld. Ich schäme mich, es zu gestehen, aber die Natur nervt mich. Ständig sticht oder beißt etwas, es gibt kein Warmwasser, kein weiches Sofa, kein Telefon. Und so weiter.«
    »Gut, daß du in der Moskauer Verwaltung arbeitest und nicht in der Provinz, wie ich«, bemerkte Andrej. »In der Provinz ist auch ein Kriminalist ständig in der Natur. Jeder Weg zu einem Tatort führt durch Wald und Feld, auch dann, wenn das Verbrechen in einem Haus stattgefunden hat, zwischen dir und dem Tatort liegt immer die Natur, die du so wenig magst.«
    »Jetzt übertreibst du. Ich habe nicht gesagt, daß ich die Natur nicht mag, sie ist mir einfach gleichgültig.«
    Eine Zeitlang saßen sie schweigend nebeneinander, ohne ein Wort zu sagen.
    »Mach es nicht so spannend, Andrjuscha«, sagte Nastja endlich, »erzähl, was du weißt.«
    »Leider weiß ich so gut wie gar nichts«, erwiderte Tschernyschew mit einem Seufzer. »Wieder dieselbe Geschichte. Genickschuß aus einem Neunmillimeter-Revolver. Die Leiche wurde im Wald gefunden, nahe der Straße. Ein junger Mann. Ich habe gehofft, daß dir dazu etwas eingefallen ist.«
    »Besteht irgendeine Verbindung zu den anderen Opfern?«
    »Scheinbar nicht. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Aber da müssen wir noch graben und graben. Ich habe, ehrlich gesagt, schon angefangen, mich vor den Montagen zu fürchten. Jeden Montag, wenn ich morgens ins Büro komme, ein neuer Mord. Offenbar haben wir es mit einem Mörder zu tun, der sich aufs Wochenende spezialisiert hat.«
    »Sieht so aus. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder sind die Opfer solche Personen, an die man nur am Wochenende herankommt, weil sie an den Werktagen immer unter Menschen sind oder unter Bewachung stehen, oder wir haben es mit einem besonderen Mörder zu tun. Mit einem Verrückten zum Beispiel. Oder einem, der unter der Woche keine Zeit hat. Wie denkst du darüber?«
    »Ich weiß nicht, ich muß erst noch nachdenken. Eines der Opfer ist ein Student, einer ein Geschäftsmann, die beiden anderen gingen keiner festen Arbeit nach. Vielleicht haben die Morde mit einer bestimmten Lebensweise der Opfer zu tun. Aber worin besteht der Zusammenhang? Warum wurden alle vier von ein und derselben Person umgebracht?«
    »Stop, stop, Andrjuscha. Wir wissen nur, daß alle vier mit derselben Waffe umgebracht wurden und alle auf die gleiche Weise. Aber wir können nicht sicher sein, daß der Mörder immer derselbe ist.«
    »Also wirklich, Nastja! Die Gutachten besagen, daß die Schüsse in allen vier Fällen aus einer Entfernung von zweiundzwanzig bis vierundzwanzig Metern abgegeben wurden, und zwar von einer Person mit einer Körpergröße von etwa hundertachtundsechzig Zentimetern. Wenn es sich um vier verschiedene Mörder handelt, dann müßten sie alle dieselbe Körpergröße haben. Kommt dir das nicht ziemlich unwahrscheinlich vor?«
    »So ein Wort ist mir unbekannt«, sagte Nastja achselzuckend.
    »Was meinst du damit?«
    »In unserem Beruf dürfen wir nicht mit Wahrscheinlichkeiten operieren. Das ist einer unserer größten Fehler. Wir müssen alles, absolut alles in Betracht ziehen. Verstehst du? Die meisten von uns haben eine falsche Denkweise.«
    »Und was wäre nach deiner Meinung die richtige Denkweise?«
    »Die eines Computers. Hast du schon einmal mit einem Computer Preference gespielt?«
    »Gelegentlich«, brummte Andrej.
    »Dann wirst du dich erinnern, wie das funktioniert. Wenn ein Spieler zum Beispiel eine Sieben, eine Zehn und ein As hat, dann denkt die Maschine sehr lange darüber nach, welche Karte sie ablegen soll. Der

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