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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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fragte Korotkow übergangslos. »Ihre Wohnung ist ja nicht sehr groß, mit drei Hunden muß es eng gewesen sein.«
    »Ach das . . .« Klawdija Nikiforowna begann zu schluchzen.
    Korotkow war peinlich berührt, aber er hatte diese Frage stellen müssen. Anastasija hatte darauf bestanden, daß er in Erfahrung brachte, warum Tarassow sich drei Hunde gehalten hatte, noch dazu große Schäferhunde und nicht etwa Miniaturausgaben fürs Sofa. Er wußte nicht, warum die Kamenskaja sich so in die Hundefrage verbissen hatte, aber da sie ihn gebeten hatte, die Frage zu klären, mußte er es unbedingt tun. Nastjas Kopf ist ein unverständlicher Mechanismus, sagte er oft, aber er nahm ihre Bitten und Aufträge sehr ernst, auch wenn er ihren Sinn und Zweck nicht verstand.
    »Zuerst hatten wir nur Narkis, er ist schon acht Jahre alt, der älteste von den dreien. Er hat viele Preise gewonnen, ein Elitehund. Er wurde bereits seit seinem dritten Lebensjahr zur Zucht eingesetzt. Als er fünf war, nahmen wir ihn mit auf die Datscha, und dort, Sie wissen ja, wie das ist, die Liebe und alles das . . . Kurz, die Nachbarn hatten einen Schäferhund, ein Mädchen mit sehr gutem Stammbaum, dagegen war nichts einzuwenden, und als Narkis Vater geworden war, brachte uns der Nachbar zwei Welpen. Da die Zuchtvoraussetzungen nicht erfüllt waren, wollte der Hundeverein die Welpen nicht haben, also wohin mit ihnen? Zwei hatte der Nachbar für sich behalten, zwei brachte er uns, damit wir sie verkaufen sollten. Jurij Jefimowitsch nahm die zwei Kleinen und fuhr mit ihnen zum Vogelmarkt. Dort tauchte irgendeine Clique von Kaukasiern in Begleitung einer Frau auf, alle betrunken. Die Frau sah die Welpen und wollte sofort einen haben. Einer der Männer holte eine Handvoll Tausender aus der Tasche und hielt sie meinem Mann hin, er hatte nicht einmal nach dem Preis gefragt. Und stellen Sie sich vor, Jurij Jefimowitsch brachte es nicht fertig, ihm einen der Welpen zu geben. Die Frau will ihn nur aus einer Augenblickslaune heraus, sagte er sich, in spätestens zehn Minuten, wenn der kleine Hund ihr auf den Mantel gepinkelt hat, wird sie ihn einfach auf die Straße schmeißen, wo er, klein und hilflos wie er ist, verhungern und erfrieren wird. Diese Vorstellung konnte mein Mann nicht ertragen. Er gab dem Kaukasier das Geld zurück und verließ auf der Stelle den Markt. Ich erinnere mich, daß er völlig verstört nach Hause kam. Klawa, sagte er, verzeih mir, ich bin ein Idiot, aber ich kann die Welpen nicht verkaufen, es zerreißt mir das Herz. Es sind doch lebendige Wesen, ich kann sie nicht völlig fremden Leuten überlassen. Am nächsten Sonntag versuchte er es noch einmal, er fuhr wieder zum Markt und brachte die Welpen auch dieses Mal wieder mit nach Hause. Er konnte es nicht. Und nach zwei Wochen habe ich ihm selbst gesagt, daß sie bei uns bleiben sollen, wir hatten uns an sie gewöhnt wie an Kinder. Und wissen Sie, was erstaunlich ist? Narkis schien gespürt zu haben, daß wir die zwei Kleinen weggeben wollten. Beide Male, als Jurij Jefimowitsch aus dem Haus ging, um zum Vogelmarkt zu fahren, heulte er wie nach einem Verstorbenen, er stand an der Tür, tänzelte vor Jurij Jefimowitschs Beinen herum und wollte ihm den Weg versperren. Er war ja nicht die Mutter, aber gespürt hat er es trotzdem.«
    »Es war wahrscheinlich nicht leicht für Sie mit drei Hunden«, sagte Korotkow teilnahmsvoll. Nastja hatte ihn außerdem beauftragt, in Erfahrung zu bringen, ob der Verstorbene großen Wert auf Ordnung und Sauberkeit gelegt hatte, und das Hundethema ermöglichte einen fließenden Übergang zu einer entsprechenden Frage. »Haare, Schmutz, die tägliche Zubereitung des Futters . . .«
    »Ja, es war nicht leicht«, sagte die Witwe mit einem schwachen Lächeln. »Unsere Wohnung ist nicht sehr geräumig, Sie haben es selbst gesehen, und dann die drei großen Hunde. Natürlich war es schwer. Aber irgendwie haben wir es gelernt, die Unbequemlichkeit zu ignorieren. Der Dreck, die Haare, die Matten, die Futternäpfe . . . Am Anfang haben wir versucht, die alte Sauberkeit und Ordnung aufrechtzuerhalten, aber dann haben wir es aufgegeben. Wie es war, so war es. Dafür hatten wir so viel Freude an den Tieren, Sie können sich das gar nicht vorstellen. Sie sind ja wie Menschen, jedes hat seinen eigenen Charakter, seine Eigenheiten. Der eine ist allergisch gegen Schweinefleisch, der andere hat etwas gegen den Blutdruckmesser. Fred hatte Angst vor diesem Ding, können Sie

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