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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Büro, den Kaffee, die Taktiken, mit denen ich arbeite?«
    »Nein, Anastasija Pawlowna. Jeder von uns hat seinen Jurij Jefimowitsch Tarassow. Und meistens nicht nur einen.«
    »Und welcher Tarassow hat Ihnen gesagt, daß ich heute morgen in eine Pfütze getreten bin?«
    »Kommen Sie nicht selbst darauf?«
    »Nein«, gab Nastja ehrlich zu.
    »Ich habe gute Augen, Anastasija Pawlowna, und ich habe bemerkt, daß Sie Ihre Dienstschuhe ohne Strümpfe tragen. Wenn es stimmt, was man von Ihnen behauptet und Sie tatsächlich nur in Jeans herumlaufen, nicht aus Armut, sondern weil Sie bequeme Kleidung über alles schätzen, würden Sie niemals freiwillig ohne Strümpfe in solche Schuhe schlüpfen, weil man sich da sofort Blasen holt. Sie haben einer Not gehorcht. Den Rest kann man sich leicht zusammenreimen.«
    »Bravo, Iwan Alexejewitsch«, sagte Nastja mit aufrichtiger Bewunderung. »Nehmen Sie sich Kaffee, das Wasser kocht bereits.«
    Sie goß erst Satotschny, dann sich selbst heißes Wasser in die Tasse und ging mit ihrer Tasse zum Stuhl am Fenster.
    »Sie wollen also tatsächlich so weit wie möglich entfernt von mir sitzen?«
    »Gut, ich setze mich an den Tisch, wenn Sie darauf bestehen«, sagte Nastja entnervt, zog den Stuhl an den Tisch heran und setzte sich dem General gegenüber.
    »Danke, Anastasija Pawlowna. Sie haben guten Kaffee.«
    »Der Kaffee stammt nicht von mir, sondern von der Firma Nestle. Worüber wollen Sie mit mir sprechen, Iwan Alexejewitsch? Es ist bereits halb zehn, in einer halben Stunde müssen wir uns wieder trennen.«
    »Ich wollte Sie fragen, ob es stimmt, daß Sie in einem Monat heiraten.«
    Nastja verschluckte sich und hätte fast den Kaffee ausgegossen. Sie stellte die Tasse langsam auf dem Tisch ab, zog ihren Zeigefinger vorsichtig aus dem geschwungenen Griff und wagte es erst jetzt, ihren Blick zu heben. Satotschny sah sie mit unverhohlenem Interesse und freundschaftlicher Neugier an.
    »In fünf Wochen«, sagte sie mit heiserer Stimme und tauben Lippen.
    »Und wozu tun Sie das?«
    »Was heißt, wozu?«
    »Warum wollen Sie einen Mann heiraten, mit dem Sie genausogut auch so Zusammensein können? Was ändert sich durch die Heirat?«
    »Nichts.« Sie zuckte mit den Schultern. »Er möchte es einfach, und ich sehe keinen Grund mehr, mich zu weigern. Sie haben völlig recht, daß sich für mich durch die Heirat nichts verändert, und genau deshalb habe ich ihr zugestimmt, um meinem Freund einen Wunsch zu erfüllen. Iwan Alexejewitsch, Sie haben mich mit Ihrer unerwarteten Frage überrumpelt, nur aufgrund meiner Verwirrung habe ich Ihnen geantwortet. Es ist nicht meine Art, über solche Dinge mit anderen zu sprechen. Aber jetzt habe ich mich wieder erholt von dem Schrecken und möchte das Gespräch über meine Privatangelegenheiten beenden.«
    »Sehr schade.« Der General lächelte sein berühmtes schwindelerregendes Lächeln, das schon so viele harte und kalte Herzen zum Schmelzen gebracht hatte.
    »Was ist daran schade?«
    »Wenn Sie frei wären, würde ich Sie gern einmal einladen. Zum Beispiel ins Theater.«
    Jetzt ließ Nastja tatsächlich die Tasse fallen, und der Kaffee ergoß sich auf das dunkle Linoleum.
    »Wollen Sie ein psychologisches Experiment mit mir durchführen, Iwan Alexejewitsch?« fragte sie, während sie erneut einen Löffel Kaffee in ihre Tasse schüttete und heißes Wasser darübergoß. »Wie soll man das nennen, was Sie hier mit mir anstellen?«
    »Ich erprobe an Ihnen Ihre eigene Waffe, die entwaffnende Ehrlichkeit heißt. Erstens möchte ich einmal sehen, welche Wirkung diese Waffe hat, denn ich habe sie bisher nie benutzt. Und zweitens möchte ich, daß Sie am eigenen Leib erfahren, was Sie mit anderen Leuten machen. Man hat mir gesagt, daß Sie sehr erbarmungslos sein können, und ich habe gedacht, daß es nicht schaden kann, wenn Sie mal die Seiten wechseln müssen.«
    »Haben Sie vor, mich zu erziehen?« fragte Nastja ungehalten. »Wissen Sie, ich bin schon weit über dreißig, deshalb ist das verlorene Liebesmüh. Sie kommen zu spät.«
    »Mitnichten, Anastasija Pawlowna. Indem ich mit Ihnen spreche, überprüfe ich die Genauigkeit der Beschreibungen, die mir meine Tarassows von Ihnen gegeben haben. Ich überprüfe ihre Fähigkeit zur Erstellung eines möglichst vollständigen und qualifizierten Psychogramms.«
    »Ich habe das Gefühl, Sie benutzen mich als Versuchskaninchen.«
    »Sie sind unaufmerksam, Anastasija Pawlowna.« Der General lächelte erneut, diesmal

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