Mit verdeckten Karten
Eindruck, daß der in der vorigen Woche im Staatlichen Zentrum für Internationale Beziehungen ermordete Jurij Jefimowitsch Tarassow ein Informant von Platonow war, und zwar genau im Zusammenhang mit den Ermittlungen in Uralsk. Und wenn Tarassow zu dieser Zeit noch für Platonow aktiv war, dann bedeutet das, daß die Ermittlungen hinsichtlich Uralsk keineswegs ihre Aktualität verloren haben. Ich wüßte gern, was hier los ist. Wenn Tarassow umgebracht wurde, weil er etwas erfahren hat, das für die Betrüger höchst gefährlich war, dann bedeutet das, daß sie ihre kriminellen Aktivitäten fortsetzen. Ihre Fragen könnte nur Platonow selbst beantworten, weil Slawa Agajew tot ist und Jurij Jefimowitsch ebenfalls, und in einem so komplizierten und komplexen Fall verfügt mit Sicherheit sonst niemand über irgendwelche Informationen, weil kein normaler Ermittlungsbeamter irgendeine zweite Person in solche Dinge einweiht.«
»Nun, Anastasija Pawlowna, Sie haben selbst alle Fragen beantwortet«, sagte Satotschny lächelnd. »Das, was Ihnen so fehlt, ist genau die Information, die mich hätte erreichen müssen, aber aus irgendeinem Grund nicht erreicht hat. Sie, Anastasija Pawlowna, haben sich als gutes, starkes Glied in der Kette erwiesen, aber irgendein anderes Glied oder sogar mehrere müssen angesägt sein. Und ich frage mich, wer es ist. Lesnikow? Korotkow? Russanow?«
»Russanow können Sie ausschließen«, brummte Gordejew mißmutig. »Bleiben nur meine Leute.«
»Und was haben Sie zu tun beschlossen?« fragte der General schuldbewußt, als sei es ihm tatsächlich schrecklich peinlich, daß ein so achtbarer Mann wie Oberst Gordejew nun wegen einer dummen Kaprice des Generals gezwungen war, seine geschätzten Untergebenen zu verdächtigen.
»Was sollten wir schon tun? Anastasija und ich werden der Sache nachgehen. Und Russanow um Unterstützung bitten.«
»Nehmen Sie mich auf in Ihren Bund?«
Wieder wandte Satotschny sich Nastja zu und tauchte sie in die Wärme seiner gelben Augen. Und wieder fröstelte Nastja wie in einem Fieberschauer, weil die gelb getigerten Augen des Generals eine unerklärliche Angst in ihr weckten.
»Natürlich, herzlich willkommen«, sagte sie mit einem gequälten Lächeln.
»Wunderbar.« Satotschny stand mit einer Leichtigkeit auf, als hätte er Sprungfedern in den Knien, und machte einen Schritt in Richtung Tür. Dann hielt er inne und wandte sich erneut Nastja zu.
»Um wieviel Uhr findet bei Ihnen die morgendliche Einsatzbesprechung statt?«
»Um zehn.«
»Jetzt ist es Viertel nach neun. Wo könnte ich mich bis dahin mit Ihnen unterhalten?«
»Mit mir?«
Nastja zuckte zusammen wie unter einem Stromschlag. Jetzt fängt es an, dachte sie voller Entsetzen. Worüber wollte der General aus dem Hauptkomitee des Ministeriums mit ihr reden? Wollte er sie über Igor Lesnikow und Jura Korotkow ausquetschen? Von Jura wußte sie praktisch alles, aber durfte sie dem General das sagen? Von Igor hingegen wußte sie sehr wenig. . .
»Sie haben ein eigenes Büro, soviel ich weiß. Würden Sie mir eine Tasse Kaffee anbieten?«
»Bitte sehr, Iwan Alexejewitsch.«
Sie machte eine einladende Geste, die besagte, daß der General ihr folgen sollte. In ihrem Büro ließ sie ihn an ihrem Schreibtisch Platz nehmen, schaltete den Wasserkocher an und stellte Tassen, eine Dose Instantkaffee und Zucker auf den Tisch.
»Und wo werden Sie sitzen?« fragte Satotschny, während er sich in dem kleinen Büroraum umsah.
»Auf dem Stuhl am Fenster. Das ist ein bequemer Platz.«
»Und warum nicht am Tisch mir gegenüber? Hier ist es, glaube ich, noch bequemer.«
»Da bin ich Ihnen zu nah. Das ist gefährlich«, sagte Nastja lächelnd.
»Ach so? Warum denn?«
»Erstens sind Sie General und ein hoher Chef aus dem Ministerium. «
»Und zweitens?«
»Zweitens sind Sie ein sehr attraktiver Mann, da bin ich lieber vorsichtig.«
»So ist das also«, sagte der General nachdenklich. »Man hat mir also die Wahrheit gesagt.«
»Welche Wahrheit?«
»Man hat mir gesagt, daß eine der gefährlichsten Taktiken, mit denen die Kamenskaja arbeitet und ihre Gesprächspartner verunsichert, in ihrer ungewöhnlichen Direktheit besteht. Sie setzt sich über alle Konventionen hinweg und sagt Dinge, die andere niemals aussprechen. Unter anderem scheut sie sich nicht, dem anderen ins Gesicht zu sagen, daß sie ihm nicht glaubt.«
»Kann ich erfahren, wer Ihnen das alles über mich berichtet hat? Über die Jeans, das eigene
Weitere Kostenlose Bücher