Mit verdeckten Karten
noch wärmer und sanfter. »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich Ihre eigene Waffe an Ihnen erprobe, die Direktheit. Ich sage Ihnen ganz einfach die Wahrheit, die reine Wahrheit. Nacktheit ist schockierend, das ist wahr, aber sie betrügt nicht. Falls Sie es nicht gehört haben, wiederhole ich noch einmal: Alles, was ich Ihnen in diesem Büro gesagt habe, ist die reine Wahrheit.«
Nastja erschauerte wieder, dann schoß ihr das Blut in die Wangen. Sie blickte direkt in die gelb getigerten Augen, die jetzt geschmolzenem Gold glichen.
»Möchten Sie mich wirklich ins Theater einladen?«
»Ja, das möchte ich. Aber da Sie demnächst heiraten . . .«
»Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Sie haben doch nicht vor, mich zu heiraten.«
»Woher wissen Sie das?« Der General lachte übermütig. »Diese Frage haben wir noch nicht besprochen. Was das Theater angeht, so müßten Sie Ihren Bräutigam anlügen, wenn Sie die Einladung annehmen. Wenn Sie sagen, daß Sie mit einem flüchtigen Bekannten, einem General aus dem Ministerium, mit dem Sie nichts verbindet, ausgehen wollen, wird das Ihrem Bräutigam wohl kaum gefallen. Er wird Ihnen nicht glauben, weil es so etwas einfach nicht gibt. Insofern werden Sie lügen müssen, ein Treffen mit irgendeiner Freundin vorschieben oder etwas in dieser Art. Und ich mag es nicht, wenn jemand wegen mir lügen und sich verstellen muß. Wir haben nur noch zehn Minuten Zeit, lassen Sie uns das Dienstliche besprechen. Wie werden wir in Zukunft Zusammenarbeiten? Haben Sie Vorschläge?«
»Ich habe noch nicht darüber nachgedacht.«
»Man hat mir gesagt, daß Sie sehr langsam denken. Ich habe in letzter Zeit kein allzugroßes Vertrauen ins Telefon, deshalb schlage ich vor, daß wir uns täglich entweder morgens treffen oder abends nach der Arbeit. Wie es Ihnen besser paßt.«
»Nur nicht morgens bitte. Morgens ist mir jede Minute kostbar, die ich länger schlafen kann.«
»Gut, dann abends. Wo wohnen Sie?«
»In der Nähe der Metro-Station Stschelkowskaja.«
»Wunderbar, ich wohne in der Nähe der Ismajlowskaja. Rufen Sie mich zu Hause an, und nennen Sie mir Zeit und Ort, die für Sie günstig sind. Wenn ich nicht zu Hause bin, hinterlassen Sie eine Nachricht bei meinem Sohn. Er ist schon fast erwachsen und wird nichts durcheinanderbringen. Abgemacht?«
»Abgemacht.«
Iwan Alexejewitsch drückte Nastja die Hand und ging. Bis zur Einsatzbesprechung waren es noch fünf Minuten, dann begann ein langer, schwerer Arbeitstag, aber Nastja Kamenskaja fühlte sich jetzt schon völlig zerschlagen.
ZEHNTES KAPITEL
1
Irina Koroljowa empfing Nastja mit kühler Zurückhaltung, aber als sie den Anlaß ihres Besuches erfuhr, wurde sie etwas zugänglicher.
»Du willst wissen, welche Informationen du in unseren Unterlagen finden kannst? Nun, vor allem Angaben darüber, welche Moskauer Firmen wen hierher einladen und zu welchem Zweck. Bei uns ist dokumentiert, wer sich wann, aus welchem Grund und für wie lange Zeit in geschäftlichen Angelegenheiten in Moskau aufhält. Wir bearbeiten hier Visa- und Paßangelegenheiten und korrespondieren mit unseren Botschaften und Konsulaten im Ausland.«
»Laß uns suchen«, seufzte Nastja. »Bring sämtliche Aktenordner!«
»Sämtliche?« fragte Irina entsetzt. »Sag wenigstens ungefähr, was du suchst.«
»Ungefähr suche ich alles, was die Firma Artex angeht. Erst einmal. Dann werden wir weitersehen.«
Nach Ablauf einer Stunde lag vor Nastja ein Blatt Papier, das vollgeschrieben war mit Notizen über die internationale Tätigkeit der so ruhmlos verschiedenen Firma Artex.
»Und jetzt?«
»Jetzt beginnt der ödeste Teil der Sache. Wir müssen nach den Spuren der Leute suchen, die mit der Firma Artex zu tun hatten. Hier sind ihre Namen. Ich habe den starken Verdacht, daß Jurij Jefimowitsch Tarassow genau dasselbe gesucht hat.«
Irina stapelte die Aktenordner auf ihrem Schreibtisch, Nastja richtete sich am Schreibtisch von Swetlana Naumenko ein, die krank geworden und nicht zur Arbeit gekommen war. Nach einiger Zeit tauchte zum ersten Mal der Name der Firma Variant auf. Danach ging die Arbeit schneller voran, und bis zum Mittag war klar, daß Variant eindeutig und in vollem Umfang die Nachfolge von Artex angetreten hatte.
2
Auf Platonows Bitte brachte Kira einen Stapel Tageszeitungen mit. Dmitrij erklärte ihr, was zu tun war, und sie vertieften sich schweigend, jeder mit einem Stift in der Hand, in die Wirtschaftsmeldungen. Platonow wurde schnell
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