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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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machen!«
    Er hob die Arme, ergriff Kira vorsichtig und stellte sie auf den gekachelten Boden. Für einen Moment standen sie dicht voreinander, und Platonow erblickte wieder das Aufblitzen des ihm schon bekannten Feuers in der Tiefe ihrer Augen. Ihm wurde kalt bei dem Gedanken daran, daß er jetzt nicht mehr darum herumkommen würde, sie zu küssen, aber im selben Augenblick löste sich Kira geschmeidig aus seinen Armen und trat einen Schritt zurück.
    »Häng du die Wäsche auf, ich gehe einstweilen in die Küche und bereite das Abendessen vor«, sagte sie mit einem leichten Lächeln und verließ das Bad.
    Spätabends, vor dem Schlafengehen, erinnerte Kira ihn daran, daß am nächsten Tag Samstag war.
    »Ich muß am Wochenende wieder zu meinen Eltern auf die Datscha fahren und ihnen Lebensmittel bringen. Denk darüber nach, wann du in diesen zwei Tagen am besten auf mich verzichten kannst, damit ich das schnell erledigen kann. Wenn du willst, machen wir es genauso wie beim ersten Mal. Ich fahre am Samstag spätabends und komme am Sonntag morgen mit dem ersten Zug zurück.«
    »Ich möchte nicht, daß du spätabends allein durch die Gegend fährst«, widersprach Platonow. »Überall lungern Betrunkene und Rowdys herum. Und du weißt ja selbst aus dem Fernsehen, daß sich ein Mörder in der Umgebung von Moskau herumtreibt.«
    »Und was schlägst du vor? Ich muß auf jeden Fall fahren. Entscheide du, wann ich das machen soll.«
    »Vielleicht morgen früh?« riet Platonow. »Und nachmittags, noch bei Tageslicht, kommst du zurück.«
    »Du brauchst mich morgen also nicht?«
    »Kira, meine Liebe, ich brauche dich immer«, erwiderte Platonow lächelnd. »Aber es geht ja nicht an, daß deine alten Eltern deshalb verhungern.«
    »Gut, dann machen wir es so. Ich fahre morgen früh und komme gegen Abend zurück.«
    Während Platonow auf der Liege in der Küche lag, lauschte er gewohnheitsmäßig den Geräuschen, die aus dem Nebenzimmer zu ihm drangen. Kira klappte das Sofa auf und bereitete sich das Bett. Jetzt das Rascheln der Zeitungen. Kira hatte sie vom Couchtisch genommen und brachte sie an eine andere Stelle. Platonow zählte vier Schritte, das hieß, daß, sofern er sich richtig an die Anordnung des Mobiliars im Zimmer erinnerte, die Zeitungen auf dem Ablagebrett unter dem Fernseher gelandet waren. Ein leises Klicken, Kira hatte die Lampe über dem Sofa angeknipst, wieder Schritte und jetzt ein lauteres Klicken. Sie hatte das Deckenlicht gelöscht. Ein kaum hörbares klirrendes Geräusch – der Knopf ihres seidenen Morgenmantels, den sie nachlässig auf den Sessel geworfen hatte, war mit der hölzernen Armlehne zusammengestoßen. Das Aufstöhnen der Sprungfedern. Das Rascheln von Buchseiten. Kira liebte es, vor dem Einschlafen zu lesen.
    Während er Kiras Geräuschen lauschte und sich dabei jede ihrer Bewegungen vorstellte, ergriff Platonow plötzlich eine heftige Sehnsucht nach seiner Frau Valentina. Es war nicht so, daß er sie begehrte, nein, im Gegenteil, er fühlte keinerlei Begehren in sich, seine Situation war zu schwierig und zu belastend, um sich nach Sex zu sehnen. Er fühlte sich seiner Frau einfach tief verbunden, er schätzte und brauchte sie als Freundin, und wenn er von ihr getrennt war, vermißte er sie. Und Lena Russanowa, seine Freundin? ja, er liebte sie, er fühlte Zärtlichkeit und Leidenschaft, wenn er sie umarmte, aber aus irgendeinem Grund empfand er nie Sehnsucht nach ihr und vermißte sie nicht, wenn sie getrennt waren. Er dachte nicht nach über dieses Phänomen, er nahm es einfach hin, wie es war.
    3
    Nach der Rückkehr aus dem Staatlichen Zentrum für Internationale Beziehungen machte Nastja sich auf die Suche nach dem Gutachter Oleg Subow. Er war ein ewig schlechtgelaunter Mann, der immer mit irgend etwas unzufrieden war und sich ständig über seine Gesundheit beklagte. Allerdings wußte jeder, daß man Olegs Stimmung keine Beachtung schenken durfte, weil sie immer schlecht war. Im übrigen war er ein erstklassiger Gutachter und liebte seine Arbeit.
    Nastja traf Subow mit einer riesigen, dampfenden Tasse in der einen und einem kolossalen belegten Brot in der anderen Hand an. Er lümmelte in einem niedrigen Sessel, hatte seine übermäßig langen Beine von sich gestreckt und die Augen geschlossen.
    »Darf ich dich stören?« fragte Nastja schüchtern, während sie näher an Subow herantrat und sich dabei bemühte, nicht über seine Beine zu stolpern.
    »Nein, darfst du nicht«, brummte er,

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