Mit Zähnen und Klauen: Horror-Thriller von Bestseller-Autor Craig DiLouie (German Edition)
Das wäre dann alles.«
Einer unter Ihnen ist ein Verräter
Die Jungs von Gruppe 1 des Ersten Platoons beginnen sofort zu maulen, als sie geweckt werden. Als sie sich aus ihren Schlafsäcken schälen, zittern und jammern sie in der kühlen Nachtluft dieser ersten Oktoberwoche.
Viele Soldaten sind nur mit Begeisterung bei den Dingen, die sie sich vom Wehrdienst erträumt hatten, und meckern oder heulen wegen allem, was ansonsten geschieht. Doch ihr heutiges Gejammer ist nun wirklicher Widerwille. Sie freundeten sich gerade erst mit dem Gedanken an, diese Sache aussitzen zu können und irgendwie heil davonzukommen. Hier verfügen sie über Nahrungsmittel, frisches Wasser, Elektrizität und Wärme sowie ein Dach über dem Kopf. Einige von ihnen fanden trotz der endlosen Schinderei sogar Zeit, mit den Frauen im Gebäude anzubandeln.
Einzig Mooney zeigte sich nicht überrascht, als ihnen Sergeant McGraw in der vergangenen Nacht auftischte, man werde die Zelte hier abbrechen. Er hatte den Braten bereits im Vorfeld gerochen und glaubte selbst, dass sich niemand aus dieser Lage würde mogeln können, ohne vorher intensiv zu leiden. Ein Fernsehsender nach dem anderen stellte das Programm ein; Papiergeld besaß nur noch einen Wert als Zunder; der Vertrieb von Lebensmitteln, Medikamenten und Kleidung kam vollständig zum Erliegen. Gerüchten zufolge rissen sich ganze Truppen der Army unter den Nagel, was sie kriegen konnten, und desertierten.
Alles passierte verdammt schnell.
Bald, so schätzt er, werden die Menschen Bibliotheksbestände verbrennen, um nicht zu frieren, wenn sie nicht gerade auf Nahrungssuche sind oder den Hudson als Toilette benutzen.
»Ihr habt doch nicht ernsthaft geglaubt, die Army werde uns in Ruhe hier sitzen lassen, oder?«, fragt Carrillo. »Wir sind eine der letzten funktionierenden Einheiten in dieser Gegend.«
»Wir sind überhaupt eine der letzten Einheiten«, präzisiert Ratliff.
»Und die da oben versuchen, uns umzubringen«, wirft Rollins ein, doch niemand lacht darüber.
»Meckern einstellen und fertigmachen«, befiehlt McGraw, als er in den Saal poltert. Er hat die Ärmel hochgekrempelt, sodass man seine stark behaarten Popeye-Unterarme sieht, tätowiert jeweils mit einem Schädel und gekreuzten Gewehren. »15 Minuten, und ihr steht in Reihe draußen auf dem Flur, bereit zum Abmarsch. Arsch hoch, Ratliff. Vergiss deinen Poncho nicht, wir ziehen mit leichtem Gepäck los. Nehmt reichlich Munition und ansonsten nur das Nötigste mit. Alles andere lassen wir für die Hadschis zurück.«
Die Jungs brechen in Gelächter aus. Im Lauf der letzten Tage waren sie dazu übergegangen, die Zivilisten als Hadschis zu bezeichnen. Nun zu hören, dass es einer der Unteroffiziere – insbesondere ihr eigener stumpfer und schwerfälliger Sergeant McGraw – genauso hält, finden sie urkomisch.
»Hat noch irgendjemand Leuchtstäbe?«, fragt Rollins. »Ich sehe hier rein gar nichts.«
»Versuch's mit deinem Nachtsichtgerät«, rät ihm Mooney. »Ist eine gute Übung.«
McGraw dreht sich um, als er Mooneys Stimme hört, streckt einen Zeigefinger aus und sagt: »Du.« Dann zeigt er auf Wyatt. »Und du.«
»Sir?«
»Anziehen, ihr Nichtsnutze«, sagt McGraw. »Ihr kommt mit mir.«
»Jawohl, Sergeant«, murrt Mooney.
Wenige Minuten später sind sie zum Aufbruch bereit. Auch die Soldaten der anderen Gruppen versammeln sich auf dem Flur. Die meisten hocken schweigend mit ihren Karabinern zwischen den Knien vor den Schülerspinden. Jemand vom ersten Zug dreht einen CD-Spieler mit ›Welcome To The Jungle‹ von Guns 'N Roses auf, um die Männer einzupeitschen und die Hadschis zu wecken.
Am Ende des Gangs weist McGraw Mooney und Wyatt an, dort zu warten. Dann tritt er zu dem Platoon Sergeant, der mit mehreren Zivilisten diskutiert.
Ein Soldat verlangt frische Batterien für sein Nachtsichtgerät. Die letzten Zigaretten werden geraucht, die Stummel zu Boden geworfen und mit den Stiefeln ausgetreten. Zwei Männer des Ersten Platoons tauchen mit einer Kiste auf und verteilen Munition. Aufstocken heißt es. Ein Magazin in jede leere Anzugtasche. So viel nehmen, wie man tragen kann.
Mooney nähert sich unauffällig dem Platoon Sergeant, um zu lauschen, worum es in dem Gespräch geht.
»Ihnen wird hier nichts geschehen, solange Sie sich ruhig verhalten und keine Aufmerksamkeit erregen«, erklärt Kemper gerade. »Zu essen haben Sie genug. Wir ließen jede Flasche und jeden Eimer in diesem Gebäude
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