Mit Zähnen und Klauen: Horror-Thriller von Bestseller-Autor Craig DiLouie (German Edition)
Verräter! Er muss zur Rechenschaft gezogen werden.«
»Und wer? … Was tun Sie da?«
Ein Pistolenschuss fällt. Der laute Knall ist beinahe körperlich spürbar, sodass die Jungs zusammenzucken.
Ein zweiter Schuss, Kordit liegt in der Luft, kitzelt in ihren Nasen. Mooney spürt, wie sich McGraw vor ihnen verkrampft. Er kann den Angstschweiß des Sergeants riechen, der sich nun darauf gefasst macht, loszustürmen und dem Captain Rückendeckung zu geben.
Doch nichts geschieht. Sekunden verrinnen. Die Deserteure erwidern das Feuer nicht.
Langsam vergeht das Klingeln in Mooneys Ohren.
»Was geschehen ist, ist geschehen«, ruft Bowman erneut ins Dunkel. »Wenn wir zur Rückkehr gezwungen werden, nehmen wir euch wieder ins Bataillon auf, ohne Fragen zu stellen. Falls wir nicht zurückkommen, passt bitte gut auf die Zivilisten auf. Ich beabsichtige, dem General zu berichten, ihr hättet freiwillig die Stellung gehalten. Euch wird keine Unehre zuteil, solange ihr euren Prinzipien treu bleibt und euch um die Leute kümmert, für die ihr verantwortlich seid. Bleiben sie wohlauf und am Leben, gehört ihr weiterhin zur US Army.«
Nach einigen Momenten der Stille fügt Bowman hinzu: »Also gut, Gott sei mit euch, Männer.«
»Danke, Sir«, flüstern die Soldaten im Dunkeln.
Dann kehrt der Captain zurück. Sein Leuchtstab kommt Mooney fast gleißend vor. Das Licht flimmert und er braucht einen Augenblick, um zu begreifen, dass Bowman zittert. Er hat soeben einen Kollegen erschossen, während ein oder zwei Dutzend Deserteure – es hätten 20, 40, 80 Mann sein können – ihre Waffen auf ihn richteten.
»Wir können sie nicht gebrauchen, wenn sie ausgebrannt sind«, erklärt Bowman. »Heute Nacht sind wir im wahrsten Sinne des Wortes eine Freiwilligenarmee geworden.« Er sieht benommen und erschöpft aus. »Bishop aber war ein Verräter. Was ich eben tat, war meine Pflicht. Wenn auch alles vor die Hunde geht, so sind wir immer noch die US Army.«
Kemper und McGraw nicken betrübt. Es gibt keinen Grund dafür, sich zu erklären. Bowman sieht zu Mooney und Wyatt, atmet tief ein und lächelt. »Danke für den Rückhalt, Männer.«
»Gern geschehen, Captain«, erwidert Mooney heiser.
»Nun wollen wir zusehen, dass wir uns heute Nacht schleunigst von dieser Insel verziehen können.«
Stich und Halt, bewegen. Zug und Halt, bewegen. Zurück in Angriffsstellung, bewegen. Einen Schritt vorwärts.
Die Jungs marschieren in Reihe zu zweit durch den Haupteingang der Schule hinaus wie eine lange, gelbbraune Schlange, die sich, gespickt mit Bajonetten, durch die Finsternis windet. Die erste Gruppe im Aufgebot schwärmt in Keilform aus . Die Unteroffiziere gehen nebenher, um ihre Leute unter Kontrolle zu halten. Während sie in Kompaniestärke laufen, wird jede Gruppe unabhängig agieren, da sie schweigen müssen, und dies bedeutet, dass keine Kommunikation in beide Richtungen der Befehlskette erfolgt.
Jeder weiß, wohin sie gehen, wie sie dorthin gelangen und welche Einsatzregeln zu befolgen sind: Nicht schießen, außer, es geht um Leben oder Tod; die Waffen bleiben gesichert. Sie werden sich mit dem Bajonett zur Wehr setzen. Schnelligkeit, das Überraschungsmoment und die Nachtsichtgeräte sind ihre Verbündeten auf dieser Mission.
Kurz vor der Spitze der Kolonne marschiert Mooney. Seine Brille gibt ein elektronisch verstärktes Bild in phosphoreszierendem Grün wieder. Dies ermöglicht den Soldaten die Sicht selbst dann, wenn nur die Sterne am Himmel leuchten, wie es heute Nacht der Fall ist, denn das Restlicht wird um das 30.000-fache verstärkt. Die Soldaten können die Tollwütigen sehen, aber nicht umgekehrt.
Dafür jedoch können die Tollwütigen den Heidenlärm hören, den sie verursachen. Der Zug klappert und rappelt vor sich hin, Glas knirscht unter den Sohlen der Stiefel, mit denen die Männer leere Dosen und Flaschen aus dem Weg treten. Sie müssen wegen des Gestanks husten und würgen, der in Wellen durch die Straßen strömt. Trotz des Gepolters aber greifen die Tollwütigen nicht an. Sie scheinen zu schlafen.
Mooney hört ein Schlurfen zu seiner Linken, gefolgt von einem abscheulich dumpfen Laut und einem umso helleren Schrei. Als er sich umdreht, zieht sein Sergeant gerade das Bajonett aus dem Schädel einer Frau und stößt ihre Leiche auf den Asphalt. McGraw gibt der Truppe zu verstehen: Nicht stehenbleiben, weitergehen.
Flüsternd sagt er: »Tut mir leid, Ma'am.«
Mooney fragt sich, wer sie war,
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