Mit Zähnen und Klauen: Horror-Thriller von Bestseller-Autor Craig DiLouie (German Edition)
Over.
»Positiv. Zu hundert Prozent, Sir. Over.«
Roger. Warten, over.
Die Soldaten kauern sich nieder und behalten Boyd im Auge, der ohne Ziel herumläuft, dann stehenbleibt und erstarrt. Nur seine Kiefer mahlen.
»In dem Loch legen Fliegen ihre Eier …«, beobachtet Wyatt, ehe er das Fernglas herunternimmt und Mooney anstarrt. »… dort, wo seine Nase war.«
»Wir können im Moment nichts dagegen machen«, entgegnet Mooney. »Passt du auf, dass wir den Rücken freihaben, ja? Jemand könnte sich anschleichen.«
»Okay«, stimmt Wyatt zu, und es klingt eigentümlich handzahm für ihn.
Sie warten noch mehrere Minuten in dieser Haltung. Mooney stößt schließlich einen lauten Seufzer aus. »Komm jetzt, es muss weitergehen.«
Wie auf Kommando knackt sein Funkgerät.
Romeo Five Tango, hier War Dogs Two. Nachricht folgt, over.
Mooney drückt die Sprechtaste und meldet sich. »Erwarte Nachricht, over.«
Merken Sie sich Privat Boyds Position, aber unternehmen Sie seinetwegen weiterhin nichts. Break. Mission abbrechen und sofort zur Basis zurückkehren. Entdeckung durch Zivilisten vermeiden. Break. Halten Sie sich strikt an die neuen Einsatzregeln, falls Sie bedroht werden. Bestätigen, over.
Mooney und Wyatt wechseln Blicke.
»Äh, Roger, Sir. Nicht entdeckt werden und Mission abbrechen. Wird ausgeführt, over.«
Over.
Mooney rafft sich auf. »Du hast den Mann gehört: Zeit zur Heimkehr, Joel … Joel?«
»Wir können ihn nicht einfach so hier draußen zurücklassen, Mooney.« Er legt mit seinem M4 an und zielt sorgfältig durchs Visier am Lauf.
Mooney ermahnt ihn: »Er ist einer von uns, Mann.«
Wyatt ist in Tränen ausgebrochen und glotzt erschüttert. »Ich befreie ihn bloß von seinem Elend. Hab ihn doch auch persönlich gekannt.«
»Gefechtsbereitschaft aufgeben und Waffe sichern, Joel.«
»Ich will ihm nur helfen.«
»Nimm das verdammte Ding runter.«
Wyatt bleibt stur: »Aber er ist sowieso schon tot.«
Er drückt ab.
Nichts geschieht.
Sein M4 klemmt, weil er einen Double-Feed hat: Zwei Kugeln sind gleichzeitig ins Lager gerutscht.
»Das ist nicht fair«, beschwert er sich und reißt den Riegel zurück.
Unten auf der Straße heult eine Autoalarmanlage. Boyds Kopf schnellt in die Richtung des Lärms. Dann läuft er los.
»Schätze, heute ist Ricks Glückstag«, schiebt Wyatt verbittert nach.
»Lass uns einfach zur Basis zurückgehen«, verlangt Mooney, völlig fertig. »Bevor du noch Schuld daran trägst, dass ich einen Herzinfarkt kriege.« Er beginnt, sich Bowmans Worte durch den Kopf gehen zu lassen. Schon seltsam: Ein Lieutenant hat ihnen explizit befohlen, ein verwundetes, krankes Mitglied ihrer Einheit im Stich zu lassen. Er stößt sich zwar daran, ist aber andererseits nicht so dumm, Order zu verweigern oder auch nur zu hinterfragen, ob sie klug sind oder nicht. Ferner hat er sich als Infanterist daran gewöhnt, Weisungen anzunehmen, die nicht einmal im Ansatz Sinn für ihn ergeben. Ob dies mit beschränktem Situationsbewusstsein zusammenhängt oder an der Inkompetenz seiner Vorgesetzten liegt? Die Frage selbst beschäftigt ihn im Moment auch gar nicht; es ist der Umstand, dass ihm der Tonfall des Lieutenant unter die Haut ging. Bowman klang besorgt … Nein! … So war es nicht – eigentlich klang Bowman entsetzt.
Hier ist die Kacke gewaltig am Dampfen, wir tappen geradewegs hinein, und das ist hirnrissig
Um null-sechs-fünfundvierzig, als es wieder hell wird, setzt sich der unsichtbare Krieg langsam fort, zerreißt die Luft mit einzelnen Donnerschlägen und aus allen Richtungen klingenden Gewehrschüssen. Zu anderen Zeiten hätte man die Geräuschkulisse einem Feuerwerk zugeordnet. Die Männer von War Dogs Two-Three drängen sich geduckt um Sergeant Ruiz. Er führt eine Flinte mit sich, eine M4 Super 90, und hat sich mehrere Gurte mit passenden Patronen umgelegt, die nun an der Vorderseite seiner Panzerweste prangen. Ruiz erklärt Gruppe 3, sie werde den Zug anführen, bis man sich wieder bei Kompanie Charlie einfinde, und dürfe auf zivile Ziele schießen, auch wenn diese unbewaffnet seien.
Private First Class McLeod hält Ruiz für einen draufgängerischen Motherfucker, wenn es um Gott, Schießeisen und die Armee geht. Das liegt nicht nur an den schaurig schwarzen Augen des Mannes und seinem eindringlichen Blick; der Sergeant ist darüber hinaus so etwas wie eine Army-Legende, ein geborener Killer. Wenn er seinen muskelbepackten Oberkörper nicht in ein Hemd
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