Mit Zähnen und Klauen: Horror-Thriller von Bestseller-Autor Craig DiLouie (German Edition)
bringen, einen Sonnenuntergang zu malen, in dem sich seine wirkliche Seele widerspiegelt? Versteht es die Konzepte von Wissenschaft, Fortschritt und Weiterentwicklung einer Spezies? Hat es jemals mit seinen geborgten Augen hinauf zu den Sternen geschaut und sich gefragt, ob es andere Planeten gibt, auf denen Leben möglich ist, vielleicht sogar Leben, mit dem es kommunizieren könnte? Begreift es Großzügigkeit und Liebe, Mitgefühl und Gnade? Hat ein Tollwütiger, der fieberhaft auf der Suche nach einem neuen Wirt durch die Straßen geistert, jemals auch nur irgendetwas in seiner kurzen Lebensspanne empfunden, das über ein zersetzendes Maß an Schmerzen und Wut hinausgeht?
Sie verdienen es nicht, uns alles wegzunehmen. Sie sind bloß Maschinen mit lebendiger Software. Sie werden jedermann töten und alles zerstören, nur um dann selbst zu verenden und so schnell vom Antlitz der Erde zu verschwinden, wie sie erschienen sind. Indes werden alle Errungenschaften der Menschen schlicht daliegen und unter Schichten von Asche und Staub jahrelang zum Verrotten brauchen, auf dass sie möglicherweise in ferner Zukunft von ihren Nachkommen gefunden werden – ohne dass diese wissen, worum es sich handelt.
Es ist ungerecht …
Unvermittelter Zorn verhilft ihr zu gerade genügend Kraft, ihre Hand zu bewegen. Mit großer Mühe streckt sie den Arm über den Teppich aus. Den Rest des Körpers schiebt sie hinterher, langsam, wie eine Schnecke, aber auch genauso entschlossen. Die Bürde der Angst drückt sie unterdessen mit ihrem ganzen Gewicht nieder. Schon zweifelt sie wieder daran, es zu schaffen. Bald aber steht sie aufrecht und blickt auf die Leinwände. Sandy Cohen liegt draußen am Boden, mit verkrümmt von sich gestreckten Armen und Beinen – tot.
Für die sind wir nur Fleisch , denkt sie. Die konsumieren uns und schmeißen die Verpackung weg . Selbst die Luft wiegt schwer in ihrer Lunge. Falls du nicht hier sterben willst, solltest du dich jetzt bewegen.
Ihr Blick fällt auf ein Päckchen Zigaretten auf dem Schreibtisch. Jackson war Raucher. Petrova hat es sich vor vier Jahren abgewöhnt, ehe sie mit Alexander schwanger wurde, und seither keine Kippe mehr angerührt.
Nur eine einzige , beschließt sie. Damit ich besser nachdenken kann .
Nachdem sie die Spitze angesteckt hat, zieht sie kräftig daran, wobei sie sich etwas schuldig fühlt; aber seltsamerweise deshalb, weil sie es an einem öffentlichen Ort tut. Tief verwurzelte Angewohnheiten legt man nur schwer ab, in jeglicher Hinsicht. Sie hustet. Beim nächsten Zug tut sie es nicht mehr. Binnen weniger Momente steigt ihr das Nikotin zu Kopf.
Soviel zum Aufhören ! Das Abgewöhnen war eine Qual, und sie zerstört diese Leistung für eine angebrochene Packung Marlboro Light – nicht einmal Menthol, die sie eigentlich vorzieht. Andererseits glaubt sie nicht, dass sie in Anbetracht der Pandemie Aussichten hat, in näherer Zukunft auf Zigaretten in Hülle und Fülle zu stoßen. Vielleicht sogar nie wieder.
Schlagartig realisiert sie, dass ihr wenig Zeit bleibt. Die Stromversorgung könnte wieder unterbrochen werden, und falls der Saft dauerhaft wegbleibt, besteht für sie keine Chance zum Überleben.
Sie fängt an, den Raum genau zu untersuchen. In den meisten Schubladen des Tisches stecken Aufzeichnungen, Berichtshefte, Büromaterialien und alte Bedienungsanleitungen. Die Unterste enthält eine halbleere Flasche Whiskey, eine weitere Schachtel Zigaretten, ein Kondom, ein stark abgegriffenes Pornoheft, ein Päckchen gesalzene Erdnüsse und ein Klemmbrett, auf dem so etwas wie ein Schulungsplan befestigt ist. Sie schnappt sich die Erdnüsse und verschlingt sie gierig.
Toll , denkt sie. Was mir jetzt definitiv nicht fehlt, sind Kondome und nackte Frauen.
In einer der Ablagen entdeckt sie eine Taschenlampe, die sie an sich nimmt, ausprobiert und beiseite legt. Nur Waffen findet sie nicht. Normalerweise ist das Sicherheitspersonal zumindest mit einem Gummiknüppel und einem Elektroschocker ausgestattet. Aber Jackson trägt diese entweder noch bei sich oder hat sie im Kampf mit Baird verloren. So bleibt ihr einzig der Golfschläger, neben den sie einen kleinen Feuerlöscher stellt und ein Teppichmesser legt.
Petrova findet die Toilette auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes und benutzt sie, während sie bei angelehnter Tür und ausgeschaltetem Licht eine zweite Zigarette raucht. Für kurze Zeit verdrängt die Kippe ihren Hunger.
Das Sicherheitssystem muss doch
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