Mit Zähnen und Klauen: Horror-Thriller von Bestseller-Autor Craig DiLouie (German Edition)
gipfelt. »Sie kommen, um mir zu helfen?«
»Ich habe dir ein zusätzliches Kissen mitgebracht, auch wenn du nicht darum gebeten hast.«
»Ich kann nicht schlucken. Ständig habe ich Durst, kann Wasser aber nicht einmal ansehen; allein schon der Tropf geht mir auf den Sack – alles geht mir auf den Sack.«
»Das ist nicht gut, Hawkeye.«
»Nein«, schnauzt er zurück, »aber es liegt an den Viren; sie sind schuld daran, dass mich alles ankotzt. Sie zwingen mir bestimmte Gedanken auf. Haben Sie das hübsche Ding gesehen, das gerade vorbeigelaufen ist? Das Girl mit den schwarzen Schlafzimmeraugen, in denen man ertrinken könnte?«
»Natürlich habe ich sie gesehen.«
»Geht auch gar nicht anders – sie ist wunderschön«, kichert Hawkeye, verzieht aber gleich darauf erneut das Gesicht. »Sie hat wohl Angst vor mir. Jedes Mal, wenn sie vorbeikommt, sieht sie mich an wie einen Geist. Dann denke ich: ›Hab keinen Schiss, Miss, ich bin Cameron Ross, ein guter Junge, und würde dir nie etwas zuleide tun.‹ Je länger ich sie sehe, desto ungerechter finde ich es, dass sie sich vor mir fürchtet, und das kotzt mich an, also grüble ich weiter darüber und beschließe dann, dass ich ihr das Gesicht zerbeißen will, damit sie mich nicht mehr sehen kann. «
Ruiz tritt unbewusst einen Schritt zurück und sieht den Soldaten entsetzt an.
»Alles macht mich so verflucht wütend, Sergeant. Mit jeder Minute, die verstreicht, werde ich aggressiver. Ich will nicht sterben als jemand, der alles und jeden hasst.« Er schaut an sich hinunter auf seine Hand, und Ruiz bemerkt, dass er ein Foto seiner Freundin festhält. »Ich will sterben, solange ich sie noch liebe; verrecken werde ich so oder so, Sergeant, das ist eine Tatsache. Ich habe keine Angst davor und will nur nicht, dass ich mein Mädchen oder meine eigene Mutter verachte. Verstehen Sie das jetzt, ODER MÜSSTE ICH ES IHNEN MIT EINEM SCHRAUBENZIEHER IN DEN VEFICKTEN SCHÄDEL BOHREN?«
Ruiz nickt und erwidert ruhig: »Ich habe verstanden, Hawkeye.«
Der Kranke knurrt aus tiefstem Hals, schließt dann die Augen und seufzt. »Danke sehr, Sergeant.«
Ruiz zieht das Kissen hervor, das er mitgebracht hat, hält es dem jungen Mann, der lächelt, übers Gesicht und drückt es nieder.
»Mach's gut, Hawkeye«, sagt er, während ihm Tränen über die Wangen laufen.
Ungefähr eine Minute lang bäumt sich der Junge auf, ehe er erschlafft.
Als Ruiz gehen will, fällt ihm auf, dass es bis auf das allgemeine Stöhnen der Lyssa-Opfer auf den Pritschen eigentümlich still in der Halle geworden ist. Als er sich umsieht, starrt ihn nahezu jeder an. Mehrere Zivilisten nicken bedächtig verständnisvoll, wohingegen sich andere die Hände vors Gesicht halten, um ihre Tränen zu verbergen.
Der Sergeant ist nicht der Erste, der dies für einen Freund tun musste.
Erschöpft bis auf die Knochen macht sich Ruiz auf den Weg in den Westflügel, wo er ein leeres Klassenzimmer zu finden hofft, um seine Frau von dort aus anzurufen. Sofort setzen die Leute ringsum ihre Arbeit fort, als sei nichts geschehen.
Corporal Alvarez tritt vor und salutiert. Der Lieutenant richtet aus, die gesamte Kompanie mustern zu wollen. Er habe sich mit Quarantäne unterhalten.
Quarantäne hat neue Order für Kompanie Charlie.
Entweder die oder wir, Gentlemen
»Meine Herren, das Lyssa-Virus stellt ein größeres Problem dar, als wir fälschlicherweise geglaubt haben. Die Pandemie hat zahlreiche Leben gefordert, für akute Engpässe gesorgt und Panik verursacht. Nun ist die Lage eine gänzlich andere, und unser Aufgabenbereich hat sich ausgeweitet. Das Heer ist nicht mehr länger ausschließlich für die Wahrung der Infrastruktur verantwortlich; wir kämpfen jetzt für den Fortbestand der Vereinigten Staaten. Ich weiß, das klingt dramatisch, aber anders lässt es sich nicht ausdrücken.
Momentan existiert außerhalb dieser Mauern keine kommunale Regierung, keine Nahrungs- und Arzneimittelversorgung. Nur wenige Feuerwehrleute bekämpfen noch Brände, nur eine Handvoll Polizeieinheiten gehen weiterhin ihrem Dienst nach. Viele Krankenhäuser stehen leer. Dort draußen herrscht zusehends das Gesetz des Dschungels. Dafür gibt es einen Grund.
Warlord hat ebenfalls große Verluste zu beklagen. Die Stabskompanie ist spurlos verschwunden, vermutlich niemand mehr am Leben. Colonel Armstrong ist definitiv tot, genauso wie Major Reynolds von Bataillon XO, das nun Captain Lyons von Alpha übernimmt … Gentlemen,
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