Mitarbeiter sind so verletzlich
richtiggehenden Nimbus mit sich herum: Denn ihr Name steht in der „Rennliste“ ganz oben!
Und eines Tages – nach den ersten abgeschlossenen Verträgen – findet der neue Mitarbeiter plötzlich seinen Namen auch auf diesen Listen im Gang zwischen den Büros. Ganz unten und fast nicht mehr zu lesen. Sehr schnell wird ihm klar, dass einzig und allein die Position seines Namens auf der Liste als Qualitätsmaßstab gilt. Es zählt wenig, dass er einer der innovativsten Denker im Vertriebsbereich ist und dass er das Zeug zum perfekten Teamarbeiter hat, der viele seiner Kollegen mit hervorragenden Ideen versorgen könnte. Jeder im „Vertriebsteam“ kämpft ja für sich allein! Gemeinsamkeit wird nur verbal praktiziert: In den Aufforderungen des Vertriebsleiters zu noch mehr Leistung und auf der alljährlichen Vertriebstagung. Aber auch da zählt eigentlich nur der Platz auf der Rennliste! So bleibt wenig Zeit und Lust, mit Kollegen – die ja die Konkurrenten auf eben dieser Liste sind – gemeinsam an neuen und Erfolg versprechenden Konzepten zu feilen.
Lassen Sie mich zu diesem Zeitpunkt für kurze Zeit die Örtlichkeit wechseln. Verlassen wir das Versicherungsunternehmen und begeben wir uns hinaus aufs Land. Auf einen kleinen Bauernhof, der seine Hühner noch frei auf dem Hof herumlaufen lässt.
Auf dem Hof erblicken wir zehn Hühner, die alle lustig vor sich hin gackern und Körner picken. Bei genauerem Hinsehen erkennen wir jedoch, dass es bei den Hühnern einige optische Unterschiede gibt. Da laufen einige Hühner herum, die wohlgenährt und mit glänzenden Federn selbstbewusst am Körnertopf stehen. Sie haben sichtlich mehr recht, sich mit Futter zu versorgen als einige andere Hühner. Die sehen wesentlich weniger gepflegt und gesund aus. Sie dürfen auch erst an den Futtertopf, wenn die wohlgenährten genug gefressen haben. Irgendwo auf dem Hof picken auch einige Hühner herum, die einen sehr unterernährten und fast kranken Eindruck machen. Ihnen fehlen eine Menge Federn – von Elan und stolzem Gackern kann keine Rede sein.
Schon nach relativ kurzer Zeit erkennen wir, dass es zwischen diesen Hühnern eine ganz klare Rangordnung gibt, die durch gegenseitiges Hacken mit dem Schnabel kommuniziert wird. Wir erkennen also eine Hackordnung . Da gibt es ein Huhn, das darf als erstes an den Futtertopf. Es bekommt auch den besten Schlafplatz auf der Stange. Ganz oben, wo es am sichersten ist. Und weil es so gesund und sorgenfrei lebt, legt es auch die meisten und größten Eier! Ein anderes Huhn darf erst an den Topf, wenn das erste Huhn es gestattet. Huhn Nummer zwei schläft schon an einer etwas ungünstigeren Stelle auf der Stange. Es ist morgens dadurch wesentlich müder und legt folglich auch etwas weniger Eier. Dann gibt es da ein drittes, ein viertes und ein fünftes Huhn – und so weiter.
Bis zum zehnten und letzten Huhn. Dieses Hühnchen findet kaum mehr was zum Fressen. Die anderen haben fast alles weggepickt. Es muss auf dem Boden schlafen, von Milben und Mäusen geplagt, hochbesorgt, nicht vom Fuchs gefressen zu werden. Schlaf- und Futtermangel sowie permanente Diskriminierung schlagen diesem Tier schwer auf die Gesundheit. Sein Gefieder ist sichtlich mitgenommen. Es ist dünn und unterernährt. Sein letztes Ei hat es vor Wochen gelegt …
Es gibt also offensichtlich irgendetwas, das vom ersten Huhn besser beherrscht wird als vom zweiten. Irgendetwas muss dieses erste Huhn wissen oder können, das ihm das Recht gibt, sich Privilegien herauszunehmen. Und das zweite Huhn kann irgendetwas, was das dritte nicht kann. Und so weiter …
Nun kommt eines Tages die Bäuerin auf die Idee, eine Hühnersuppe zu machen. Sie geht auf den Hof und sieht sich ihre Hühner an. Da sie nicht auf die vielen Eier der wohlgenährten Hühner verzichten möchte, ergreift sie mit der linken Hand zielsicher das zehnte (das in der Rangordnung letzte) Hühnchen – und mit der rechten Hand die wohlgeschliffene Axt. Kurz danach haben sich die Probleme für das zehnte Hühnchen mit einem Schlag erledigt!
Doch jetzt hat plötzlich das neunte Hühnchen ein ernst zu nehmendes Problem! Und da es wenig Lust hat, den Weg seiner Kollegin zu gehen, wird es sich mit aller Kraft bemühen, herauszufinden, was das achte Huhn denn besser kann als es selbst. Das achte Huhn wird jedoch alles daran setzen, sein Wissen und Können verdeckt und für sich zu behalten. Denn nur, wenn es einen Wissensvorsprung gegenüber der Kollegin Nummer neun
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