Mitarbeiter sind so verletzlich
zwischen die Zähne bekommen, sondern immer nur ein Stückchen davon abbeißen können.
Karotten gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen. Als Fünfhunderteuroscheine, als Erlebnisreisen, als T-Shirt und als Schulterklopfen. Es gibt also preiswerte und teure Varianten, dumme und raffinierte, ehrliche und heuchlerische. Die preiswertesten Gewinne sind keine Karotten. Es sind immer noch: Fürsorgliche Aufmerksamkeit, Anerkennung der Leistung und ein ehrliches „Danke“, verbunden mit einem aufrichtigen Lob. Aber dazu scheinen viele Führungskräfte nicht fähig. Deshalb greifen sie lieber zu den Motivationskarotten . Diese an langen Stangen vor die Nasen der Mitarbeiter zu hängen, verlangt weniger Eigenengagement … Fangen wir bei den Motivationskarotten an: zum Beispiel dem berühmt berüchtigten „Club der 100“. In manchen Unternehmen heißt dieser Verein auch „ Top Ten “, „Champions League“ oder „ Millionärsklub “. Jeder Verein hat ein markiges Motto, das mich manchmal überraschend treffend an alte DDR-Slogans à la „gemeinsam gegen alle Feinde der Arbeiter- und Bauernklasse“ erinnert. Der Verein ist nicht eingetragen und hat nur eine einzige simple Spielregel: Sei so gut, dass Du unter den zehn (hundert, fünf, was immer) Besten bist. Dann gehörst Du dazu! Du erhältst die berühmte Klubnadel und darfst mit uns Klubmitgliedern ein paar Tage nach Nizza fahren.
Zum Klub gehören ist ein absolutes Muss – oder? Die Spielregeln und dieses „Muss“ werden Mitarbeitern in zahlreichen Unternehmen immer und immer wieder eingepaukt. Ob es Sinn macht, wird nie gefragt. Gott sei Dank! Denn sonst würde mancher Mitarbeiter bald daraufkommen, dass es nicht sehr geistreich ist, sich ein Jahr lang bis zur Erschöpfung krumm zu biegen, sowie seine Ehe und seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen und dies nur, damit er irgendwann auf einer Bühne steht, die Hand geschüttelt bekommt und anschließend eine Reise absolvieren darf, die er sich ohne Weiteres selbst leisten könnte. Dem Klub anzugehören, kann doch nun wirklich nicht das Ziel der Ziele sein – oder?
Auch Führungskräfte denken nicht weiter über dieses „ Motivationsinstrument “ und seine Wirkungen nach. Wenn man diese Umsatzklubs und ihre Mitglieder (und auch die „Nichtmehr-Mitglieder“ – oder die „Noch-nicht-Mitglieder“) beobachtet, so kommen einem sehr rasch ernste Zweifel über Sinn und Zweck des Ganzen. Wenn Ihr Unternehmen (Ihr Unternehmensbereich) einhundert Mitarbeiter hat, von denen Sie jedes Jahr im Rahmen eines Incentives zehn Sieger küren, so generieren Sie damit automatisch neunzig Verlierer!!
Ich frage mich immer, wieso Führungskräfte das nicht bedenken. Viele von ihnen sind jahrelang durch die gleiche Tretmühle gegangen, durch die sie nun ihre Mitarbeiter jagen.
Kaum jemand macht sich Gedanken, was in Mitarbeitern vorgeht, die sich drei oder vier Jahre lang vergeblich bemüht haben, den hochgesteckten Erwartungen gerecht und in den Klub aufgenommen zu werden. Sie sind gute Verkäufer! Stehen vielleicht immer wieder an 11. oder 12. Stelle (von rund 100 Kollegen!). Aber nur die zehn Besten (?) werden hochgelobt und prämiert. Jedes Jahr haarscharf vorbei … Diese Mitarbeiter werden dadurch systematisch zermotiviert. Sie werden fleißig weiter verkaufen, weil sie damit das Geld für ihre Existenz verdienen. Aber sie werden kaum einen Handgriff mehr tun!
Ganz abgesehen davon, dass es ethisch fraglich ist, wenn Sie jemanden auf diese Weise über Jahre hinweg unter Druck setzen: Haben Sie sich jemals überlegt, ob Ihnen mit diesem Mitarbeiter nicht vielleicht eine hervorragende Kraft verloren geht? Eine, deren Stärken mehr bedeuten als die der siegreichen Klubmitglieder? Er ist vielleicht der Kreativste von allen. Er wäre vielleicht auch der Erfolgreichste. Aber seine Arbeitsweise ist etwas langsamer oder längerfristig orientiert als die seiner Kollegen. Und für diese Handlungsweise wird er permanent bestraft, indem man ihn zermotiviert! Sie sollten überlegen, wie viel Motivation und Energie Sie auf diese Weise unweigerlich zerstören …
Wer gewinnt nun also durch einen derartigen Incentiveklub ?
Die ewigen Verlierer? Sicher nicht. Sie resignieren nach einigen Fehlversuchen und geben zermotiviert auf. Sie stellen alle Initiativen frühzeitig ein, sobald sie erkennen, dass sie es auch in diesem Jahr nicht schaffen werden.
Diejenigen, die dieses Jahr etwas weiter vorne als im letzten Jahr, nämlich
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