Mitch - Herz im Dunkeln
einfach bis Dienstagmorgen hierbleiben?“
Zu gern hätte Mitch Ja gesagt. Zu gern hätte er den Lauf der Welt noch weitere zwei Tage angehalten. Warum eigentlich nicht? Soweit er wusste, war niemand außer ihm selbst auf der Suche nach ihm.
Und wer wusste es schon? Vielleicht würde er sich hier in Beccas freundlichen Augen wiederfinden.
Und wenn nicht, dann fiel ihm vielleicht wenigstens ein Weg ein, ihr von seinen Befürchtungen hinsichtlich seiner wahren Existenz zu erzählen.
„Bis Dienstag hört sich gut an“, flüsterte er zwischen zwei Küssen. In Wahrheit klang es noch viel zu kurz, genau genommen ein ganzes Leben zu kurz. Aber auch das war etwas, was er ihr nicht zu gestehen wagte. Und eigentlich wollte er sich das auch selbst nicht eingestehen.
Seine Küsse wurden leidenschaftlicher und ausdauernder, denn er wollte endlich aufhören zu denken. Er wollte nur noch sein und das Hier und Jetzt genießen.
Mit Beccas Hilfe fiel es ihm auch nicht schwer.
Der Anruf kam kurz nach Sonnenaufgang.
Lucky hatte höchstens zwanzig Minuten geschlafen. Trotzdem war er sofort wach, als er den vertrauten New Yorker Akzent des Captains hörte.
„Es ist weiteres Falschgeld von Shaw aufgetaucht“, verkündete Joe Cat ohne Einleitung. „Diesmal bei einem Herrenausstatter in Albuquerque. Zwei Scheine.“
Lucky schaltete die Nachttischlampe in seinem Motelzimmer an. „Wir werden es überprüfen. Aber ich werde diesen Koffer im Schließfach des Busbahnhofs nicht unbeobachtet lassen. Ich hab so ein Gefühl, Cat. Mitch Shaw besaß diesen Koffer sehr lange. Sollte er noch am Leben sein, wird er kommen, um ihn zu holen. Bobby und Wes überwachen den Busbahnhof im Augenblick.“ Er fing an, seine Hose anzuziehen. „Aber ich kann mich in fünf Minuten Richtung Norden auf den Weg machen.“
„Nein, bleib in Wyatt City“, befahl der Captain. „Crash und Blue sind bereits auf dem Weg nach Albuquerque.“ Er lachte bitter. „Ich wäre bei ihnen, aber angeblich fliegt der Admiral heute ein, deswegen kann ich nicht weg. Ich wollte dich nur darüber informieren, dass Shaw offenbar noch in der Gegend ist. Zumindest hält er sich noch im Bundesstaat auf.“
Lucky zog die Hose wieder aus und setzte sich auf die Bettkante, das Telefon zwischen Kinn und Schulter geklemmt. „Es sei denn, er ist tot und jemand anderes gibt sein Geld aus.“
„Ja, diese Möglichkeit müssen wir natürlich auch in Betracht ziehen“, stimmte Cat in ernstem Ton zu.
„Aber was, wenn er nicht tot ist?“, gab Lucky zu bedenken. „Besteht nicht auch die Möglichkeit, dass er uns eine Nachricht zukommen lassen will, indem er dieses Falschgeld in Umlauf bringt?“ Sicher wusste Mitch, welche der Scheine Blüten waren und welche nicht.
„Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen“, sagte Joe Cat. „Was, wenn Mitch Shaw das verschwundene Material ausfindig gemacht hat?“ Obwohl die Leitung abhörsicher sein sollte, achtete der Captain darauf, nicht das Wort „Plutonium“ zu verwenden. „Was, wenn er tief mit den Leuten zusammensteckt, die im Besitz des Materials sind, und sich nicht melden kann? Das Falschgeld zu benutzen ist möglicherweise seine Art, Rückendeckung von uns anzufordern.“
„Nur haben wir mit einem Mann namens Jarell im Obdachlosenasyl gesprochen“, berichtete Lucky. „Er erinnerte sich an Mitch. Er wurde spätnachts gebracht, halb bewusstlos. Offenbar war er betrunken gestürzt und zusammengetreten worden. Jarell sah ihn nur in dieser Nacht und meinte, Mitch sei noch vor dem Frühstück verschwunden. Er sagt, soweit er weiß, sei Mitch allein gewesen. Er meint außerdem, Mitch habe eine Jacke zurückgelassen. Aber Jarell wollte sie uns nicht geben. Er wollte uns nicht einmal einen Blick darauf werfen lassen.“
„Besorgt sie“, befahl der Captain.
„Ich arbeite schon daran“, erklärte Lucky. „Aber in diesem Obdachlosenasyl ist ständig jemand. Wir müssen uns also etwas einfallen lassen. Mach dir nicht zu große Hoffnungen, Cat! Selbst wenn wir die Jacke bekommen, heißt das noch lange nicht, dass sie uns auf die richtige Spur bringt.“
Joe Cat seufzte. „Ich kenne Shaw nicht besonders gut. Ist er ein Trinker? Nimmt er Drogen? War er vielleicht auf einer Sauftour?“
„Ich habe ihn nie mehr als ein Bier trinken sehen“, sagte Lucky.
„Das könnte ins Verhaltensmuster eines Problemtrinkers passen“, erwiderte der Captain. „Er hat es so lange unter Kontrolle, bis er es nicht mehr aushält. Und dann
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